Yung Hurn in Wien: Die Instagram-Story steht auf der Bühne

Yung Hurn beim Frequency Festival 2017. Beim Konzert in Wien waren keine Fotografen zugelassen.
Der Wiener Rapper Yung Hurn gastierte am Sonntagabend im ausverkauften Gasometer. Ein Heimspiel.

Kreischende Frauenherzen und Dopamin-gestärkte  Männerseelen richten beim lässigen L'amour-Hatscher "Diamant" die verträumten Augen auf die Bühne, dorthin, wo Yung Hurn oben ohne steht - seine Brust ist dezent behaart und mit einem "Amore"-Tattoo geschmückt. Der Wiener Rapper singt leidenschaftlich von seinem "Baby“, das glitzert "wie ein Diamant". Tja, da soll noch einer behaupten, die Jugend von heute hat nichts mehr für Romantik über ... 

Diese zumindest gespielte sentimentale Seite, die vermeintliche Verletzlichkeit ("Baby sag mir was du heute machst...") ist das eine. Yung Hurns selbstverliebten Ansagen das andere: Der Wiener Twentysomething kann nämlich minutenlang über seine eigene Geilheit phantasieren, dabei derbe Macho-Sprüche absondern und "Jajajajaja" und "Lalalala" ins Mikro lallen, so, als hätte er nach dem Hustensaftfrühstück zu viel Ecstasy geschmissen. Ja, auch das gehört zur seinem Lifestyle - eine sich um sich selbst drehende Welt voller Drogen und unechter Gefühle.

"Yung Hurn, wieso machst du das?
Wieso sagst du das?
Wieso bist du so gemein?"
("Y. HURN wieso?")

1220
Seit Tagen zieht Yung Hurn aus Wien 1220, also Donaustadt, mit seinen Tracks durch große Hallen, die er auch meistens ausverkauft. Auch der Gasometer war am Sonntagabend bis auf den letzten Platz mit 3200 Fans gefüllt. Ein Heimspiel.

In mitten dieser tobenden und gut gelaunten Masse kommt man sich des Öfteren so vor, als wäre man der einzige Nüchterne bei dieser feucht-fröhlichen - ähm - Maturareise, auf der sich Yung Hurn seit 2016 befindet. In diesem Jahr setzte er an der Seite des Rappers RIN mit dem Song "Bianco" sein erstes, musikalisch ernst zu nehmendes Ausrufezeichen.

Mehr als 13 Millionen Aufrufe auf später ist er so etwas wie das Aushängeschild der österreichischen Hip-Hop-Szene. Die offiziell als erstes Debütalbum geführte Platte „1220“ verkaufte bzw. streamte sich im Mai dieses Jahres dann auch so gut, dass er damit in Österreich und Deutschland auf Platz 2 der Albumcharts einstieg. Geschlagen geben musste er sich nur der Schlagerqueen Helene Fischer. Bis zu diesem beachtlichen Charterfolg veröffentlichte Yung Hurn alias K. Ronaldo und Love Hotel Band ausschließlich Mixtapes, Playlists und einzelne Songs (teilweise gratis) im Netz.

Viele davon präsentiert er im Gasometer - unterstützt von "Brudi" Jonny5 - mit hörbar angeschlagener Stimme live. Das kann selbst der Einsatz von Autotune nicht mehr geradebiegen. Egal. Denn die Party auf der Bühne ist im vollen Gange. Von der Decke hängt eine überdimensionale Lichterkette mit der Postleitzahl 1220. Zwischen den teilweise nur kurz angerissenen Tracks gibt Yung Hurn den Stimmungsmacher, Einheizer, der von allen den Mittelfinger sehen will: "F*** die Polizei, ich hab nix dabei."

Von einem Song geht es beinahe nahtlos in den nächsten über: "Skrrt Skrrt", "Bianco", "Popo" und "Andi Goldberger". Es sind verstrahlte Lieder, die den Rausch, das Leben und Drogenexzesse feiern. In seinen Dada-Rap-Phrasen reimt sich "chillen" auf "Pillen" und wird immer wieder das "Baby" besungen. Auch von "Love" ist die Rede. Seine Einzeiler über die Party im Gemeindebau, Sex mit den "Bitches" sind zwar oftmals schwer zu verstehen, begreifen, aber das sehr junge Publikum kann sie alle auswendig.

Die Musik kommt aus der Konserve, dargebracht von u. a. DJ Lex Lugner, der Yung Hurn mit deepen Beats im Zeitlupentempo versorgt. Darüber ziehen dichte, zugleich luftige Synthesizerflächen. Auf Platte mag das zwar durchaus sexy klingen, aber live funktioniert das nur bedingt. Den Besuchern ist das aber egal. Sie rappen fast jede Zeile euphorisch mit. Das Handykamera ist dabei stets im Anschlag und den eigene Instagram-Account im Visier: Schau, meine Story hat bereits 50 Aufrufe. Ok cool.

Identitätsprothesen
Das auf der Bühne Gebotene (es ist nicht allzu viel) filmen und fotografieren zahlreiche Besucher nahezu durchgehend. Immerhin gilt es, seine Freunde auf diversen Identitätsprothesen im Internet bei Laune zu halten. Die Abhängigkeit von Facebook-Likes und Instagram-Herzen sollte man nicht unterschätzen. Dazu passt dann auch der von Yung Hurn am Ende des Konzerts immer wieder angestimmte Schlachtgesang: "Danke, Yung Hurn, Du bist der Beste!". Narzissmus ist die neue Nächstenliebe.

KURIER:Wertung: Dreieinhalb von fünf möglichen Instagram-Herzen.

Epilog: Bilder vom Konzert finden Sie leider nur in den sozialen Netzwerken. Fotografen hatten ohne weitere Begründung Hausverbot. Yung Hurn erwähnte beim Konzert dann auch immer wieder die Presse, die sich zum Konzert "reingeschlichen" habe, obwohl doch "Presseverbot" gälte. Das passt zur Medienstrategie von Yung Hurn und seinem Berliner Label Live From Earth. Interviews gibt er Journalisten so gut wie keine. Er versorgt seine Fans lieber mit Bildern und Stories auf seinem Instagram-Account, den aktuell über 368.000 Menschen abonniert haben.

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