Das Labor hat jetzt geschlossen

Georg Trakl (Paul Herwig) in Seelennot: "Der Abschied" bei den Festspielen
Das Allerletzte – aber keineswegs schwach: "Young Directors Project" bei den Salzburger Festspielen.

Die vierte und letzte Premiere des heurigen "Young Directors Project" hieß "Der Abschied". In dem eigens für die Festspiele verfassten Text des Salzburger Autors Walter Kappacher geht es um die letzten Tage im Leben des Dichters Georg Trakl, der 1914, erschüttert durch seine Erlebnisse als Apotheker und Sanitäter im Krieg, nach einem vereitelten Selbstmordversuch an einer Überdosis Kokain starb.

Die Inszenierung in der ArgeKultur im Nonntal ist gleichzeitig die allerletzte Premiere unter dem Titel YDP: Nach 13 Jahren zieht sich der Sponsor des Regiewettbewerbs, der Edel-Füllfeder-Hersteller Montblanc, zurück, die Reihe wird daher von den Festspielen aus Geldmangel eingestellt.

Sie gab den Festspielen etwas, was jeder Kulturbetrieb braucht: Einen Ort, an dem Schiefgehen erlaubt und keine nationale Katastrophe ist, ein Labor für Experimente und Merkwürdigkeiten (obwohl, SO merkwürdig war das Gebotene dann meist eh nicht). Unter den Absolventen machte der Regisseur Alvis Hermanis danach die mit Abstand größte Karriere – er gewann 2002 mit Gorkis "Revisor" den Bewerb, war aber schon damals kein Unbekannter mehr.

Der Sieger des heurigen Wettbewerbs wird am Donnerstag bekannt gegeben. Der KURIER bietet hier einen ersten Überblick über die Beiträge.

YDP IV: Der Abschied.

Dieser fantastisch gespielte und von Nicolas Charaux noch fantastischer in Szene gesetzte Monolog eines Menschen an der Grenze zum Verschwinden wäre ein heißer Kandidat für den Sieg, wäre da nicht ein Manko: Walter Kappachers Text ist nicht ganz so fantastisch. Er hakt überraschungs- und spannungsarm die erwartbaren Trakl-Themen ab: Die Drogen (dass Trakl Pharmazie studierte, ist eine gute Pointe des Lebens), die Dichtung, die Freundschaft mit Ludwig Ficker (und anderen Kultur-Promis), die inzestuöse Liebe zur Schwester, die Kriegsgräuel rund um die Schlacht von Grodek.

Der Schauspieler Paul Herwig bemüht sich nach Leibeskräften, den Text zum Leben zu erwecken und bietet dabei eine famose Leistung. Star des Abends ist aber das Bühnenbild von Pia Greven, ein schwarzes, kathedralenförmiges Objekt, aus dem sich Trakl buchstäblich den Weg nach draußen freihackt und in dem er sterbend wieder verschwindet.

KURIER-Wertung:

YDP I: Hinkemann

Diese Produktion ging in der Wahrnehmung unter, hätte aber den Sieg am ehesten verdient. Der schon vom Volkstheater bekannte serbische Regisseur Miloš Lolić versuchte, Ernst Tollers expressionistisches Heimkehrer-Drama "Hinkemann" der Vergessenheit zu entreißen.

Die Geschichte rund um den unschuldig Ausgestoßenen, der im Krieg seine Genitalien verlor und deshalb von den Menschen gemieden wird, wurde im rasenden Wechsel der Stile auf die sich drehende Karussell-Bühne gebracht. Eine keineswegs perfekte Produktion, aber eine, die sich tatsächlich traute, zu experimentieren, ungewöhnliche Wege zu versuchen.

KURIER-Wertung:

YDP II: 36566 Tage

Eine tolle, festspielwürdige Idee: Studenten des Mozarteums recherchieren Lebensgeschichten von Menschen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs – und verarbeiten das dabei in Erfahrung Gebrachte in Szenen und Installationen. Eine spannende Versuchsanordnung, die schöne, aber insgesamt doch sehr "studentisch" wirkende, brave Ergebnisse brachte.

(ohne Wertung)

YDP III: Orpheus

Ein Missverständnis: Diese Produktion des Little Bulb Theatre aus London passte weder zum Weltkriegs-Motto, noch war sie ein richtiges Bühnenstück: Die Geschichte von Orpheus und Eurydike wurde als grelle, angestrengt parodistische Musik-Comedy-Revue im Stummfilm-Stil erzählt, die ganz gut unterhielt, aber niemals zu faszinieren imstande war.

KURIER-Wertung:

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