"Wonderland": Staunen über die große Kunst von gestern
Die Albertina modern lädt nach dem Lockdown zum Neustart mit einer umfassenden Sammlungsschau
16.05.21, 08:00
„Die Anarchie der Kunst“: Selten las man diese Worte so perfekt an eine makellos weiße Museumswand affichiert. Nein, ein Ort der Anarchie ist die Albertina modern nicht, sie kann und muss es auch nicht sein.
In „Wonderland“, der mittlerweile dritten Ausstellung der Museumsdependance im runderneuerten Künstlerhaus-Gebäude, wird die ungeklärte Identität der Institution aber besonders spürbar. Laut Direktor Klaus Albrecht Schröder, der die Präsentation mit Chefkuratorin Angela Stief gestaltete, ist „Wonderland“ eine Sammlungsschau – ohne eine zu illustrierende These, mit der Freiheit, selbst Wege zu bahnen.
Tatsächlich ist erstaunlich, was die Albertina modern alles hat: Tolle Plastillinbilder von Gelatin/Gelitin und im Geiste verwandte Skulpturen von Franz West (im erwähnten „Anarchie“-Kapitel); großformatige Drucke des Pop-Art-Zampanos Roy Lichtenstein, aber auch die vergeistigte Abstraktion von Ad Reinhardt finden sich in dem Rundgang.
In jedem Fall aber: MA-LE-REI! In Großbuchstaben und Großformaten, von den Großmeistern Lüpertz, Baselitz, Kiefer und einigen mehr dominieren Gemälde den Hauptsaal und den Gesamteindruck.
Dass die Albertina modern über diese Werke verfügt, liegt nicht nur an der Übernahme der Sammlung Essl, sondern an einer Vielzahl von Allianzen: Die Gemälde aus Georg Baselitz’ „Remix“-Serie (um 2006/’07) verdanken sich etwa auch der Unternehmerfamilie Viehof und dem Anwaltspaar Batliner. Das „Wonderland“ entspringt somit weniger der Phantasie eines Lewis Carroll als einem Repräsentations- und Sammelbedürfnis, dessen Blüte sich etwa von Mitte der 1990er bis zur Finanzkrise 2008 datieren lässt. Es formte die Kunstproduktion und auch die Albertina nachhaltig.
Party like it’s 2009
Selbstreflexion ist aber nicht die Sache dieser Schau: Dass das Publikum bereit ist zu staunen, wird vorausgesetzt. Damit sieht die Ausstellung aber unfreiwillig alt aus: Denn auch wenn einige Werke die Zeiten überdauern werden, ist noch lange nicht restlos klar, welche Position die Gegenwartskunst-Bestände der Albertina auf Dauer haben werden.
Die Option, die Transformation der Werke von Trophäen zu Museumsstücken aktiv zu begleiten, lässt die Schau aus. Immerhin konfrontiert sie Georg Baselitz, der 2013 den Satz „Frauen malen nicht so gut“ äußerte, direkt mit Maria Lassnig – und zeigt, dass sich die beiden mindestens ebenbürtig sind.
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