Totale Malerei
Fast schien es, dass der Maler, der über viele Jahre zurückgezogen in der Steiermark gelebt und dort in einem außergewöhnlichen Atelierbau an seinen Großformaten gewerkt hatte, sich ganz in seiner Malerei aufgelöst hatte: Hollegha war fast ein Phantom, er drängte nicht in aktuelle Fachdiskurse, wurde nicht von eifrigen Kunsthistorikern „wiederentdeckt“ oder „rekontextualisiert“, wie es mit manch anderen Vertretern seiner Generation zuletzt geschehen war.
Doch auch ohne Literaturaufarbeitung und monografische Ausstellungen verströmt „ein Hollegha“ nach wie vor eine immense Aura von Monumentalität und Klarheit, wenn ein Werk des Künstlers irgendwo im Raum hängt.
Eine Zeitlang war der in Klagenfurt geborene Künstler, der früh beide Eltern verloren hatte und bei seiner Tante im steirischen Frohnleiten aufgewachsen war, durchaus im Zentrum des Kunstgeschehens gewesen: Nach dem Studium bei Josef Dobrowsky an der Akademie der bildenden Künste in Wien gründete er mit Josef Mikl, Markus Prachensky und Arnulf Rainer 1956 die „Malergruppe St. Stephan“ um den Kirchenmann und Kunstfreund Monsignore Otto Mauer, die den Siegeszug der expressiven Abstraktion in Österreich anführen sollte.
Groß in den USA
Als Einzigem der „Stephansbuben“, wie man die Gruppe auch nannte, gelang Hollegha der Sprung in die USA. Der Kritikerpapst Clement Greenberg, der mit Künstlern wie Jackson Pollock den Aufstieg des Abstrakten Expressionismus als dominante Kunstrichtung der Nachkriegsjahre entscheidend orchestriert hatte, zählte Hollegha zu einem zentralen Vertreter der zweiten Generation dieser Kunstrichtung, neben Namen wie Morris Louis, Kenneth Noland oder Helen Frankenthaler, die ebenfalls mit dünn aufgetragenen, zerfließenden Farben experimentierte.
Hollegha, der zweimal, 1964 und 1966, im New Yorker Guggenheim-Museum ausstellte und entlang dieses Karrierepfads vielleicht zu einem der teuersten Künstler seiner Generation hätte werden können, konnte sich ein Leben in New York auf Dauer aber nicht vorstellen. Seine Malerei entstand auch nie im Wettkampf mit Kollegen, sondern in einem intensiven Prozess des Schauens und Verwandelns, den der Künstler bis ins hohe Alter verfolgte und perfektionierte. Dazu brauchte er die Einöde – am Rechberg, nahe dem Ort seiner Kindheit.
Transformation
Ausgangspunkt für die Bilder waren „Motive“ aus der unmittelbaren Umgebung des Künstlers – oft banale Dinge wie Äste oder Stofffetzen, in denen der Künstler dennoch etwas erblickte, was zur Auseinandersetzung drängte: „Im Sehen des Besonderen beginnt schon der Abstraktionsprozess“, schrieb der Kurator Günther Holler-Schuster zu einer Ausstellung von Werken im Museum des kürzlich verstorbenen Sammlers und Langzeit-Unterstützers Herbert Liaunig 2019. „Die Malerei Holleghas verleiht dem sichtbare Existenz, was das allgemeine Sehen für unsichtbar hält.“
Zunächst fertigte Hollegha Zeichnungen nach dem Motiv an, später legte er sich stark verdünnte Farben zurecht, die er dann in einem hoch konzentrierten Akt auf die Leinwand brachte, oft von hohen Leitern aus: „Bewegung ist Teil der Wahrnehmung“, sagte er.
Auch wenn Holleghas sterbliche Überreste nun zur Ruhe gebettet werden – ganz daneben scheint die Idee, dass der Künstler sich in Malerei aufgelöst haben könnte, nicht zu sein. Die Kraft, Realität in eine andere Form zu überführen, ist etwas, das Kunst ganz generell und die Malerei Holleghas im Besonderen großartig macht. Sicht- und spürbar bleibt diese Kraft auch noch, wenn der Ausführende nicht mehr da ist.
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