Am 19. März wird Wolfgang Ambros 70 Jahre alt. Im Interview zeigt er sich ungebrochen und hellwach. Er geht auf zwei Stöcken, das aber bemerkenswert flott. Im Buch „A Mensch möcht i bleib’n“ erzählt er schonungslos offen aus seinem Leben.
KURIER: Wie geht es Ihnen?
Wolfgang Ambros: Ich hab Corona angeblich gehabt und hab nicht das geringste bemerkt, obwohl ich jeden Tag in mich hineingehört habe. Es hat ja geheißen, man kriegt Halsweh, aber ich hab jeden Tag ein oder zwei Lieder gesungen ohne Probleme.
In Ihrem Buch schreiben Sie erstaunlich offen über Leid, Krankheit und Verlust. Das ist nicht gerade das, was man sich von einer Rockstar-Biografie erwartet.
Für mich war das der einzige Grund, das Buch zu schreiben: Ich wollte das loswerden. Mich kennen ja viele Menschen, und denen wollte ich sagen: Halt, auch mir geht es oft nicht gut. Ich wollte, dass das jeder weiß.
Dabei war Ihr Image immer: stark und unverwundbar.
Aber dieses Image habe nicht ich geschaffen. Ein Rockstar, der auf der Bühne steht, der gilt als stark. Und er muss auch stark sein, um das alles auszuhalten. Dafür wird dir unendlich viel verziehen. Du kannst dich aufführen wie die letzte Krot’. Das wirft dir niemand vor – außer du sagst was Falsches und gibst Schwächen preis. Als österreichischer Rockstar hast du es aber eh leichter – dem wird schon von vorherein nicht so viel zugetraut und nicht so viel zugemutet.
Hat das Schreiben Sie erleichtert? War es sozusagen therapeutisch?
Ja, so kann man es sagen. Ich weiß ja nicht, was aus dem Buch wird – ich wünsche mir sehr, dass dieses Baby wächst und gedeiht. Wenn nicht, dann hätte ich diese Therapie auch in einem Hinterzimmer mit einem bebrillten, Bärtchen tragenden Therapeuten machen können, der mir mit zittriger Stimme erklärt, was mein Problem ist.
Haben Sie je eine Therapie gemacht?
Ich muss gestehen: Nein. Ich wohne in einem Ort in Tirol mit 2.000 Einwohnern, wo finde ich da einen Therapeuten, dem ich vertrauen kann? Außerdem ist das ja dann ein Tiroler, der versteht mich ja nicht. Aber ich glaube auch, bei mir hilft das nix. Ich muss das selber machen.
Im Buch schreiben Sie auch über Härte.
Das ist eine Notwendigkeit. Du bist halt der Leitwolf und musst Dinge sehen, die andere noch nicht erkennen.
Sind Sie ein harter Mensch?
Nicht mehr, als notwendig.
Sind Sie sensibel?
Das hoffe ich. Was glauben Sie, wie wäre es mir sonst gelungen, so vielen anderen Menschen ihre Gefühle zu zeigen, indem ich meine eigenen seziere?
Sie schreiben, Sie haben die Fähigkeit, mit Musik andere Leute zu erreichen. Wann haben Sie das erstmals gespürt?
Bald. Sehr bald. Schon mit 16 oder so. Ich hab meine Gitarre mit mir geschleppt, egal, wohin ich gegangen bin. Oft hatte ich außerdem einen Rucksack und einen Schlafsack mit, weil ich gewusst habe, ich schlafe heute irgendwo, und ob es dort ein Bett gibt, war oft noch nicht klar. Und da waren immer wieder Situationen, wo ich gemerkt habe: Es gefällt den Leuten, wenn ich Gitarre spiele. Und hin und wieder habe ich dazu gesungen. Ich war ja oft in Kreisen der höheren Töchter und auch Söhne, die waren auf einem anderen Level als ich, haben aber trotzdem gesagt: Das ist super.
Was haben Sie gesungen?
Dylan! Und Donovan. „Blowing In The Wind“ und „Catch The Wind“. Damit konnte man viele Herzen catchen!
Gab es Zeiten, wo Sie das Vertrauen in diese Fähigkeit verloren haben?
Ich habe im Buch versucht, den Punkt festzumachen, wo dieses blinde Vertrauen in die eigene Unfehlbarkeit schlagartig vorbei war. Es war der Verlust der Unschuld – obwohl ich unschuldig war. (1986 kommt bei einem Bootsunfall in Griechenland ein Bekannter ums Leben. Ambros saß am Steuer, ein Verfahren ergibt seine Unschuld.) Ich bin im Wasser gelegen und mir wurde immer kälter, und der Gedanke war: Jetzt ist es aus. Jetzt wird nichts mehr so sein wie früher. Dann habe ich den Mann gesucht und nur noch tot gefunden.
Haben Sie sich Vorwürfe gemacht?
Ja, dass ich wieder umgedreht bin und den Mann an Bord genommen habe, weil er so darum gebeten hatte. Und er hat fast geschrien vor Glück – und ist kurz darauf gestorben, mit einem breiten Lächeln. Das hatte er noch im Gesicht, als ich ihn aus dem Wasser geholt habe.
Glauben Sie an das Schicksal?In dem Fall habe ich daran glauben müssen. Einer bittet einen ganzen Vormittag darum, dass ich ihn im Motorboot mitnehme – und dann kommt er ums Leben. Damals habe ich mir gedacht: Vielleicht war ich zu lange jung.
Und dann sind Sie erwachsen geworden.
Schlagartig. Ich habe über Nacht graue Haare bekommen.
Hat Sie das als Künstler verändert?
Schon. Viele haben das bemerkt, und wenige goutiert. Ich habe das Album „Gewitter“ aufgenommen. Jetzt hat mir ein junger Mensch gesagt, das war seine erste Platte und er hat sie ununterbrochen gehört. Also habe ich mir gedacht: So unendlich schlecht, wie diese Platte damals gemacht wurde, kann sie nicht sein.
Sie waren zwei Jahrzehnte lang der Liebling von allen, der Woiferl der Nation. Und dann war es plötzlich in Mode, auf Sie zu schimpfen. Waren Sie zu lange erfolgreich?
Offensichtlich. Und einer hat die Gelegenheit gesehen, sich Ruhm und Ehre zu verschaffen, indem er auf mich losgeht. (Das profil schrieb damals „Schickt Ambros in Pension“.) Das hatte schwerwiegende Folgen. Aber vielleicht hat mir das den Kick in die richtige Richtung gegeben. Es war 1990, und es hätte ja nicht so weitergehen können. Ich war dauernd im Einsatz, um das System zu erhalten. Es hat mich auch nimmer so gefreut. Es war eine G’nackwatschen, die mich zum Einhalten gebracht hat.
Jetzt sind Sie wieder der Liebling der Medien. Neue Generation von Hörern und Musikern entdecken Ihre Musik.
Na hoffentlich wirkt sich das auf das Buch aus! Ich habe ja nicht nur einmal erlebt, dass ich gute Kritiken hatte und grottenschlechte Verkaufszahlen.
Sie wollen kein Album mehr aufnehmen. Warum?
Das ist ja ein Haufen Arbeit, aber für was! Ich könnte wieder ein Vinylalbum machen, aber wer kauft denn das wieder? Die meisten werden es ja doch nur streamen. Aber vielleicht, warten wir ab. Aber es wird nie wieder so, wie es war.
Das Livespielen bei Konzerten aber geben Sie nicht auf, trotz Ihrer angeschlagenen Gesundheit.
Ich brenne darauf! Ich will endlich wieder auf die Bühne. Es gibt nichts, was dir das ersetzt. Wenn du vorher zitterst und dir nicht sicher bist, ob du den Anfang derspielst – und dann gehst du raus und merkst: Aber geh, es geht doch!
In Ihrem Buch äußern Sie die Befürchtung, dass die Menschheit sich selbst durch die Umweltzerstörung ruiniert. Jetzt gibt es Krieg. Sie sind zu einer Zeit Musiker geworden, als man geglaubt hat: Der Frieden wird ausbrechen, alle Probleme werden gelöst.
Ja, wir haben das geglaubt! Wir haben uns stark gefühlt, wie keine Generation vor uns, wir haben geglaubt, wir schaffen Frieden auf der Welt.
War das eine Illusion?
Eine Zeitlang nicht. Wir waren überzeugt, wir schaffen eine neue Welt.
Was ist schiefgegangen? Ist es das Geld?
Ja, jetzt schon. Wir haben damals gesagt, wir brauchen nichts. Und ich hätte das ohne Weiteres bis heute weitergelebt. Aber das Kartenhaus ist irgendwann das Maß aller Dinge geworden.
Mit 70 sind Sie in Wahrheit im besten Rockstaralter – man denke nur an die Stones, McCartney, Bob Dylan.
Die sind sogar noch viel älter.
Aber gut in Form.
Da kann man nur sagen, hoffentlich ist das bei mir auch so. Ich hab da meine Bedenken, aber ... Wenn ich eine Erkenntnis erlangt habe, dann die, dass es immer anders kommt, als du glaubst.
Kommentare