Wo Österreich konkurrenzlos ist

Wo Österreich konkurrenzlos ist
Feierstunden: Die Gesellschaft der Musikfreunde begeht 2012 ihr 200-Jahr-Jubiläum. KURIER traf Intendant Thomas Angyan zum Interview.

Am Anfang stand - was sonst bei dieser legendären, einzigartigen Institution? - ein Konzert. Am 29. November 1812 wurde in der Spanischen Hofreitschule von 280 Chorsängern und 300 Orchestermusikern Georg Friedrich Händels "Timotheus oder Die Gewalt der Musik" aufgeführt. 5000 Menschen hörten dieses Benefizkonzert der "Gesellschaft adeliger Frauen zur Beförderungen des Guten und Nützlichen". Die Einnahmen der Wohltätigkeitsveranstaltung kamen den Witwen und Waisen nach der Schlacht bei Aspern gegen Napoleon zugute.

Der Erfolg war enorm und der Anstoß zur Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde, vorangetrieben von Fanny von Arnstein. 507 Personen trugen sich in der im Palais Lobkowitz aufliegenden Subskriptionsliste für den neuen Verein ein. Darunter Joseph Sonnleithner, Librettist von Ludwig van Beethovens Beethovens "Fidelio", und Antonio Salieri.

Am Wiener Kohlmarkt wurde das erste Vereinslokal eröffnet. Im Revolutionsjahr 1848 ging der Verein fast in Konkurs. 1856 trat Kaiser Franz Joseph der Gesellschaft bei, er schenkte ihr 1863 einen Baugrund am Karlsplatz - darauf wurde von Theophil Hansen das heute weltbekannte Gebäude der Gesellschaft der Musikfreunde errichtet.

Warum diese Historie gerade jetzt besonders wichtig ist? Weil sich der Jahrestag der Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde im Jahr 2012 zum 200. Male jährt. Und weil es darob zu großen Feierlichkeiten kommen wird.
Thomas Angyan, der Intendant des Hauses, wird dann 12 Prozent der bisherigen Lebensdauer des Vereins an der Spitze desselben gestanden sein.

KURIER: Sie haben diese Funktion vor 23 Jahren übernommen. Was war damals das erste von Ihnen veranstaltete Konzert?
Thomas Angyan: Das war am 1. Oktober 1988 ein Konzert der Wiener Philharmoniker unter Leonard Bernstein. Zwei Tage danach haben die Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan im Musikverein gespielt. Ich bin in der Pause mit Bernstein zu Karajan in die Garderobe gegangen, sie haben sich 40 Minuten unterhalten und das Publikum warten lassen -
das war wahrscheinlich die längste Pause überhaupt im Musikverein. Als Karajan ein Jahr später starb, hat Bernstein das Gedenkkonzert für ihn dirigiert.

Welche besonderen Feierlichkeiten gibt es im Jubiläumsjahr 2012?
Sehr viele. Es wird ein Symposium geben zum Thema "Uraufführungen im Musikverein". Da waren ja ganz legendäre Werke zum ersten Mal zu hören. Es wird eine große Highlight-Ausstellung geben, die zuerst in Japan zu sehen sein wird. Es wird noch heuer eine 5-Euro-Sondermünze vorgestellt. Vor allem aber gibt es einen Jubiläumszyklus, der soeben präsentiert wurde und der wohl das ideale Weihnachtsgeschenk ist. (lacht)

Nach welchen Kriterien wurde der Zyklus erstellt?
Es werden nur Werke aufgeführt, die einen besonderen Bezug zum Musikverein haben. Die entweder unserer Gesellschaft gewidmet sind, von Schubert oder Franz Schmidt ("Das Buch mit den sieben Siegeln", Anm.). Die hier uraufgeführt wurden, Bruckners Achte oder die "Gurrelieder" von Schönberg. Oder die wir jetzt neu in Auftrag gegeben haben, wie etwa eine Komposition von Penderecki. Als Dirigenten stehen, mit Ausnahme von Fabio Luisi, nur Ehrenmitglieder am Pult. Vor dem eigentlichen Gründungstag im November wird Nikolaus Harnoncourt mit dem Concentus Musicus und dem Singverein "Timotheus" aufführen.

Wie viele Konzerte finden generell pro Jahr im Musikverein statt?
Zuletzt gab es auch dank der neuen Säle einen Rekord mit 840 Konzerten. Davon veranstalten wir etwa 500 selbst. 187 Konzerte gibt es allein für Kinder und Jugendliche. Darauf sind wir auch stolz, dass wir im Bereich Musikvermittlung so viel erreicht haben. Jede Generalprobe ist heute öffentlich, viele Kinder nützen die Gelegenheit zum Kontakt zu Dirigenten und Solisten. Ein wichtiger Partner sind natürlich auch die Wiener Philharmoniker mit ihren Konzerten.

Die Gesellschaft der Musikfreunde war seit jeher ein privater Verein. Wie funktioniert das mit so geringer Unterstützung durch die öffentliche Hand?
Es hat nie etwas dem Staat gehört, auch nicht unser Gebäude. Wir bekommen heute noch weniger als fünf Prozent unseres Budgets von Bund und Stadt Wien. Das ist knapp eine Million Euro. Das wird dann schwierig, wenn, wie von Seiten der Wiener Festwochen passiert, noch etwas gekürzt wird. Bis 2004 haben wir für die Festwochenkonzerte 436.000 Euro bekommen. Seit dem Jahr 2010 sind es nur noch 200.000.

Bei den Wiener Festwochen gibt es ab 2014 mit Markus Hinterhäuser einen neuen Intendanten. Gehen Sie davon aus, dass die Zusammenarbeit mit diesem Festival besser wird?
Ganz bestimmt. Nicht unbedingt finanziell. Aber mit Markus Hinterhäuser sind wir seit 30 Jahren verbunden, seit er als Pianist bei der Jeunesse seine ersten Konzerte spielte.

Bei den Wiener Symphonikern gibt es ebenfalls einen Wechsel: Philippe Jordan wird Chefdirigent. Halten Sie das für eine gute Wahl?

Für die ideale. Er war mein Wunschkandidat, ich habe mich immer für ihn stark gemacht. Ich habe auch keinerlei Bedenken, dass er weiterhin Generalmusikdirektor der Pariser Oper ist. Dort ist er ein Riesenstar. Und es geht sich sicher aus, diese beiden Funktionen zu vereinen.

Haben Sie das Gefühl, dass sich das offizielle Österreich bewusst ist, welche Schätze es im Bereich der klassischen Musik hat?
Leider gar nicht. Es gab ja soeben die Diskussion, dass Österreich ein neues sogenanntes Branding braucht. Da war sofort die Rede von guter Luft, sauberer Natur und schönen Bergen. Aber all das hat die Schweiz auch und vermarktet es seit langer Zeit sehr gut. Österreich ist dort am größten, wo es um die Kultur geht. Kein anderes Land hat nebeneinander Institutionen wie den Musikverein, die Staatsoper und die vielen Museen. Ich verstehe es überhaupt nicht, warum man das Branding nicht darauf ausrichtet. Da sind wir weltweit konkurrenzlos.

Musikfreunde: Der Chef, das große Jubiläum

Wo Österreich konkurrenzlos ist

Intendant: Thomas Angyan, 1953 in Wien geboren, ist seit dem Jahr 1988 Intendant der Gesellschaft der Musikfreunde. Davor war der Jurist Geschäftsführer der Musikalischen Jugend Österreichs.

200 Jahre: Im November 1812 fand in der Spanischen Hofreitschule ein Benefizkonzert statt: der Anlass für die Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde, die seit 1870 im Musikverein am Wiener Karlsplatz residiert.

Stars: Für 2012 gibt es einen Jubiläumszyklus mit Toporchestern und vielen Stars am Pult. Den Anfang machen Riccardo Muti und die Wiener Philharmoniker am 6. Mai, danach kommen Fabio Luisi, Zubin Mehta, Daniel Barenboim, Mariss Jansons und Nikolaus Harnoncourt mit Werken, die einen speziellen Bezug zum Musikverein haben.

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