(Wie durch Zauberhand öffnet sich in diesem Moment eine Flügeltüre.)
Rohrer: Das waren die Elfen!
Der Wald ist in diesem Stück ein ganz besonderer Ort, nämlich der Ort, wo alles möglich und nichts wirklich sicher ist.
Rohrer: Der Ort, wo das Risiko beheimatet ist, wo man sich unbehaust fühlt. Man kennt sich nicht aus und weiß nicht, wo ist der Weg.
Das Stück ist ja in Wahrheit auch eine Hommage ans Theater, wo ebenfalls wie durch Zauberhand alles möglich ist.
Scheumann: Absolut. Ich finde das ja bemerkenswert: Ein nicht ganz unbegabter Autor (lacht) beendet ein Stück mit einer Szene, die eine vermeintlich schlechte Theatertruppe spielt. Das ist ein Clou. Diese Doppeldeutigkeit finde ich hervorragend. Es transportiert sich tolles Theater – aber auch die Vergeblichkeit des Versuchs. Oder, um es mit Theseus zu sagen: „Der Edelmut nimmt ’s Wollen für das Können.“ Insofern tatsächlich: Eine Hommage ans Theater.
Rohrer: Es geht auch darum, immer, wenn Schauspieler für Zuschauer etwas spielen, bekommt das eine eigene Realität, eine Energie, die etwas auslösen kann in den Menschen. Das ist eine der Urkräfte, an die ich glaube. Man geht als Mensch nie unberührt aus einem Theater raus, selbst, wenn man sich geärgert hat. Und wenn man geschlafen hat, hat man vielleicht wunderbar geträumt. Diese Kraft ist gerade bei Shakespeare immer vorhanden, weswegen es sich immer lohnt, sich diesen Texten zu nähern.
Das Stück ist eine Komödie. Wie komisch muss man es spielen?
Rohrer: Was ist komisch ...?
Vielleicht, wenn die Leute lachen?
Rohrer: Aber das Lachen beginnt auch schon beim Schmunzeln. Ich glaube, wenn man komisch sein will, ist es nicht komisch. Wir waren nicht darauf aus, unbedingt eine komische Wirkung zu erzielen. Barbara Frey hat da eher eine subtilere Art von Humor gesucht, die beim Zuschauer kein Auslachen der Figur bewirkt.
Scheumann: Allein schon durch die Bühne stellen wir etwas anderes dar. Wir haben nicht den Traumwald, sondern eher einen Wald, der seine besten Tage schon hinter sich hat, eher eine Apokalypse. Das alleine gibt schon etwas anderes vor, als dass man sagt, jetzt klopfen wir uns gleich auf die Schenkel. Aber wir verraten nicht die Komödie, es gibt viele Möglichkeiten, sich zu amüsieren.
Ich habe das auch deshalb gefragt, weil in jüngster Zeit immer öfter die Frage gestellt wird, ob man den Menschen nicht wieder mehr Komödien am Theater bieten sollte.
Rohrer: Also, wir spielen definitiv den „Sommernachtstraum“, nicht „Hamlet“. Ich finde, dass sich nichts ausschließen sollte. Es muss jederzeit die Möglichkeit geben, die Leute auf einem tollen Niveau zu unterhalten oder zu erschüttern. Und ich denke, es ist ganz schwer, gute Komödie zu machen.
Scheumann: Wir haben den Text ja nicht in Stücke gehauen, wir zeigen den „Sommernachtstraum“, wie Shakespeare ihn geschrieben hat. Aber es ist keine Hauruck-Komödie.
Es gibt den Vorwurf, das Theater sei zu verkopft geworden. Stimmt das Ihrer Meinung nach?
Rohrer: Das kann man so allgemein nicht beantworten. Ich habe eher den Eindruck, dass gerade jüngere Regisseure wieder den Mut haben, Emotionen zuzulassen. Ich finde jede Form von Schere im Kopf uninteressant.
Scheumann: Verkopft ... wenn der Kopf dabei ist, finde ich das grundsätzlich nicht verkehrt. Ich glaube, die Leute sind eher verstimmt, wenn sie erzogen werden sollen. Wenn man von oben herab spielt, in der Haltung, wir sind euch überlegen, wir wissen mehr als ihr, wir wollen euch erziehen. Die Leute müssen berührt werden, im Kopf, im Herzen, in der Seele.
Rohrer: Den Eindruck, dass mir gesagt wird, was ich denken soll, habe ich manchmal auch bei Tageszeitungen und anderen Medien. Das mag ich nirgends.
Was macht Shakespeare so besonders, dass seine Stücke immer noch überall mit Erfolg laufen?
Scheumann: Unser Stück hat mindestens vier Ebenen, denen man sich widmen kann. Menschen verkleiden sich, Menschen wollen andere Menschen sein, Menschen spielen, sie verwirren und entwirren sich. Es ist das ganze Leben, das da vorgeführt wird! Noch niemand hat ihn bis zum Grund ausgelotet.
Rohrer: Für mich ist es, als würde in Shakespeare-Stücken das Unvereinbare vereint. Es ist hell und dunkel, es ist Dur und Moll, es ist fröhlich und traurig. Es ist wirklich alles da. Es ist mit Liebe zum Menschen geschrieben, aber auch schonungslos.
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