"Wir sprechen dank Verdi mit Gott"

Riccardo Muti ist in Wien erst wieder im Mai 2014 live zu erleben. Dann dirigiert er die Wiener Philharmoniker.
Stardirigent Ricardo Muti über Verdi, falsche Töne, Regietheater und den KURIER-Livestream.

Er ist nicht nur einer der bedeutendsten Dirigenten der Gegenwart, sondern auch einer der führenden Verdi-Experten. Zur Zeit probt Riccardo Muti in Chicago Verdis „Messa da Requiem“, das am 10. Oktober via Live-Stream auf KURIER.at (Details siehe unten) zu erleben sein wird. Der neapolitanische Maestro im Gespräch.

KURIER: Maestro Muti, Ihre Interpretation des Verdi-Requiems wird via Livestream übertragen. Ein Zugeständnis an die Neuen Medien?

Riccardo Muti: Eher ein Zugeständnis an Giuseppe Verdi. Wir wollen mit dieser Übertragung möglichst viele Menschen erreichen. Alle sollen die Möglichkeit haben, Verdis wunderbare Musik zu hören. Es geht nicht darum, Verdi noch populärer zu machen. Das geht ja fast gar nicht. Es geht vielmehr darum, dass Millionen Menschen auf der ganzen Welt im selben Moment diese Musik fühlen und durch diese Musik miteinander verbunden sind.

Glauben Sie, dass Musik die Menschen verbinden kann?

"Wir sprechen dank Verdi mit Gott"
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Wir leben in einer Gesellschaft mit so vielen Problemen. Es gibt Kriege, Krisen, Not und Elend. Ich denke, Musik kann die Menschen zusammenbringen, weil sie eine universelle Sprache ist, die jeder verstehen kann. Ob sich dadurch etwas verbessert, weiß ich nicht. Vielleicht ist es auch nur ein Traum. Aber auf jeden Fall einer, den man träumen sollte. In der Musik sollte es ja nicht primär um den persönlichen Erfolg der Interpreten gehen, sondern um eine Botschaft der Humanität. Wenn man so will, um Verdis Botschaft an die Menschheit. Wäre Herbert von Karajan noch am Leben, wäre er übrigens sicher der eifrigste Botschafter in den Neuen Medien.

Was verbinden Sie persönlich mit Verdis „ Requiem“?

Ich habe das Requiem zum ersten Mal in den 1970er-Jahren dirigiert. In einer Basilika in Florenz und an den Gräbern der Borgias. Das werde ich nie vergessen. Verdi war ein Katholik im sehr liberalen Sinn. Er spricht hier Grundprobleme der Menschheit an. Wir sprechen dank Verdi direkt mit Gott. In dem Sinne: Du hast mich erschaffen, also errette mich auch. Es ist also ein forderndes Requiem, und Verdi lässt uns auch im Zweifel zurück. Aber wie in all seinen Werken, übrigens auch in den Opern, ist Verdis Blick immer gen Himmel gerichtet. Verdi hatte zwar Zweifel, was nach dem Tod sein mag. Doch er wusste, dass Antworten auf diese Frage ein Bedürfnis der menschlichen Seele sind. Insofern treten wir eine Reise ins Innerste unserer Seele an.

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"Wir sprechen dank Verdi mit Gott"
Italian Conductor Riccardo Muti waits before the start of a concert in Oviedo, northern Spain October 20, 2011. Muti will be awarded with the 2011 Prince of Asturias Award for Arts at a ceremony on Friday in the Asturian capital. The Prince of Asturias Awards are held annually since 1981 to reward scientific, technical, cultural, social and humanitarian work done by individuals, work teams and institutions. REUTERS/Felix Ordonez (SPAIN - Tags: ENTERTAINMENT SOCIETY)
Wir haben im Verdi-Jahr 2001 anlässlich seines 100. Todestages es verpasst, ihn neu zu studieren. Diese Chance haben wir jetzt wieder. Denn wir sind oft sehr weit weg von dem, was Verdi eigentlich wollte. Die Aufführungspraxis hat da viele Fehler gemacht. Und auch das Publikum ist da ein bisschen nachlässig geworden. Alle warten immer nur auf Spitzentöne und wollen, dass Verdi so wie Puccini gesungen wird. Das ist völlig falsch. Verdi ist ein klassischer Komponist und steht etwa Haydn viel näher als Puccini. Dennoch darf man ihn nicht auf Originalinstrumenten spielen, das wäre ein Frevel. Aber diese Tatsache sollte man im Hinterkopf behalten. Und dann gibt es ja auch noch Regisseure ...

... denen Sie grundsätzlich sehr skeptisch gegenüberstehen ...

Was manche Regisseure da machen, ist eine einzige Beleidigung Verdis. Aber auch ein Missbrauch der Sänger und ein Affront gegen das denkende Publikum. Wir haben leider zu viele dieser sogenannten „gescheiten“ Regisseure, die sogar Rollen streichen, wenn ihnen zu einer Figur nichts einfällt, die nicht einmal die Partitur studieren können, die ihre so genannten „Ideen“ jedem Werk überstülpen. Bei so etwas mache ich nicht mit.

Also sollte man Verdi ganz klassisch inszenieren?

Vorsicht, eines darf nicht passieren: Verdi wollte kein Showbusiness. Weder szenisch, noch von mit ihren Stimmen protzenden Sängern. Verdi war ein Theatermann, er wusste ganz genau, warum er was wie komponierte. Es steht ja alles in den Partituren. Die müsste man sich nur anschauen.

Ist das einer der Gründe, weshalb Sie selten Oper dirigieren?

Auch. Aber es gibt noch einen zweiten Grund. Der liegt bei den Häusern selbst und deren Zeitplanung. Wenn ich eine Oper neu einstudiere, brauche ich dazu, um das gewissenhaft zu tun, mindestens einen Monat Zeit. Diese Zeit aber wird einem nur selten gegeben. Ich aber akzeptiere es nicht, wenn Sänger oder auch Dirigenten erst eine Woche vor der Premiere anreisen, um dann in einer Pfusch-Aktion irgendwas auf die Bühne bringen. Leider gibt mir auch die Wiener Staatsoper in dieser Hinsicht nicht die erforderliche Zeit.

Dabei lieben Sie Wien ...

Sehr sogar. Wien ist eine großartige Stadt mit einem sehr gebildeten und feinen Publikum. Und natürlich ist es die Stadt der Wiener Philharmoniker. Ich liebe dieses Orchester. Ich habe von den Philharmonikern im Laufe meines Lebens unendlich viel gelernt und komme für Konzerte immer gern wieder. Was Oper in Wien oder auch in Salzburg betrifft, so gilt aber: Man sollte niemals nie sagen.

Am 10. Oktober, wenn sich Verdis Geburtstag zum 200. Mal jährt, möchte Muti möglichst vielen die Gelegenheit geben, die Musik des großen Komponisten zu erleben. Mit dem Chicago Symphony Orchestra (CSO) wird er die „Messa da Requiem“ in Chicago zur Aufführung bringen. Tatiana Serjan (Sopran), Daniela Barcellona (Mezzosopran), Mario Zeffiri (Tenor) und Ildar Abdrazakov (Bass) sind die Solisten.

Via Internet kann die Weltöffentlichkeit daran teilnehmen. In Österreich stellt der KURIER – als einzige Tageszeitung – den Videostream unter kurier.at/musik zur Verfügung. Das Konzert beginnt zwar erst um 1:30 Uhr Nachts (MEZ), es wird allerdings danach vier Wochen lang on-demand verfügbar bleiben. Das Requiem ist Verdis wichtigstes Werk jenseits der Opern. 2011 gewann das CSO mit einer Aufnahme unter Muti zwei Grammys.

Trailer: Ricardo Muti dirigiert das Verdi-Requiem

Ricardo Muti über Verdi

"Wir sprechen dank Verdi mit Gott"

Die vierte Klassik-CD aus der KURIER Edition mit dem Titel „Giuseppe Verdi“ ist dem Giganten aus Roncole bei Parma gewidmet, dessen Geburtstag am 10. Oktober begangen wird. Sie enthält Auszüge aus Verdis umfangreichen Werk, welches unverzichtbar für die Spielpläne der weltweiten Musiktheater ist.

Auch diesmal durften die KURIER Musikredakteure nach Belieben in den exzellenten Katalogen der Plattenfirma Universal wühlen und die Auswahl treffen. Daraus entstanden ist eine einzigartige Sammlung der wichtigsten Dirigenten, von Karajan bis Abbado, von Sinopoli bis Solti, mit den Toporchestern und dazu Stimmen der besten Sängerinnen und Sängern aller Zeiten, Tebaldi bis Netrebko und von Pavarotti bis Domingo.

33 Titel, eine Zusammenstellung der „Highlights“ von Giuseppe Verdi

CD 1
01
LA TRAVIATA | „Libiamo ne’lieti calici“
02 LA TRAVIATA | „Di Provenza il mar, il suol“
03 AIDA | „Se quel guerrier io fossi! ... Celeste Aida
04 AIDA | Marcia
05 AIDA | „Qui Radames verrà! ... O Patria mia“
06 NABUCCO | „Va pensiero, sull’ali dorate“
07 IL TROVATORE | „Stride la vampa! ... Mesta è la tua canzon!“
08 IL TROVATORE | „Di quella pira“
09 MACBETH | „Nel dì della vittoria io le incontrai“
10 SIMON BOCCANEGRA | „Come in quest’ora bruna“
11 SIMON BOCCANEGRA | „Piango, perché mi parla“
12 I VESPRI SICILIANI | „Mercè, dilette amiche“
13 ... 14 LUISE MILLER | „Oh! fede negar potessi“ ... „Quando le sere al placido“
15 RIGOLETTO | „La donna è mobile“
16 ... 17 RIGOLETTO | „V’ho ingannato“ ... „Lassù ... in cielo“

CD 2
01
LA FORZA DEL DESTINO | Ouvertüre
02 DON CARLO | „Dio, che nell’alma infodere“'
03
DON CARLO | „Ella giammai m’amò!“
04 DON CARLO | „O don fatale“
05 ... 06 DON CARLO | „Tu che le vanità“ ... „Francia, nobile suol, si caro ai miei verd’anni!“
07 UN BALLO IN MASCHERA | „Ma dall’arido stelo divulsa“
08 I LOMBARDI ALLA PRIMA CROCIATA | „Come poteva un angelo“
09 OTELLO | „Credo in un Dio crudel“
10 OTELLO | „Niun mi tema“
11 GIOVANNA D'ARCO | „O fatidica foresta“
12 FALSTAFF | „Ehi! paggio! ... L’onore!“
13 FALSTAFF | „Dal labbro il canto estasiato vola“
14 FALSTAFF | „Sul fil d’un soffio etesio“
15 FALSTAFF | „Facciamo il parentado“ - „Tutto nel mondo è burla“
16 MESSA DA REQUIEM | Dies irae

Giuseppe Verdi“ – die Klassik-CD aus der KURIER Edition ist ab 13. Oktober 2013 im Fachhandel zum unverbindlich empfohlenen Letztverbraucherpreis von EUR 19,90 erhältlich, oder im KURIER CLUB.

Gewinnspiel:
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Wir wünschen Ihnen viel Glück!

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