"Wir haben nicht einmal mehr ein Filmstudio"

Regisseur Andreas Prochaska geht ins Rennen um den Oscar
Andreas Prochaska geht mit "Das finstere Tal" ins Rennen um den Auslands-Oscar. Der Regisseur im Interview.

Andreas Prochaskas "Das finstere Tal" wurde für den Auslands-Oscar eingereicht. Einen Emmy hat er schon. TV wird gewichtiger, findet auch er.

Sie haben einen internationalen Emmy gewonnen und werden von Österreich ins Rennen um den Auslands-Oscar geschickt. Was ist heutzutage bedeutender? Fernseh-Preis oder Kino-Auszeichnung?

Andreas Prochaska: In Amerika ist das Fernsehen in vielerlei Hinsicht mutiger als das Kino. Wenn man sich anschaut, welche Stars mittlerweile im Fernsehen auftreten, wie z. B. Woody Harrelson und Matthew McConaughey in "True Detective" oder Clive Owen in "The Knick", hat da eine deutliche Verschiebung stattgefunden. Auch bei meinen Treffen mit Agenten in den USA war oft ein Thema, ob ich mir auch vorstellen könnte, Fernsehen zu machen. Zumindest aus meiner Beobachtung hat sich da ein völlig anderer Markt aufgetan.

Was bedeutet das für das Kino?

Der ganze Mittelbau ist weggebrochen. Es gibt billig produzierte Filme, wie z. B. "Paranormal Activity". Dann kommen schon die Blockbuster. In Amerika ist es sehr teuer geworden, Filme ins Kino zu bringen, die Auswahl ist relativ schmal geworden und es hat sich viel ins Fernsehen verlagert.

"Wir haben nicht einmal mehr ein Filmstudio"
Hat die meisten Nominierungen: "Das finstere Tal" mit Tobias Moretti
Hieße das, ein Quentin Tarantino würde seinen Durchbruch heute im TV schaffen?

Ja, aber dann nicht als Regisseur, bei den Serien sind es die Show Runner (meist erfahrene Drehbuchautoren, die die Serie vorantreiben, Anm.), die künstlerisch im Mittelpunkt stehen. Aber es ist schon noch so, dass man im Kino Chancen hat, wenn man einen auffälligen Film produziert hat. Es gibt aber auch Leute wie Steven Soderbergh, die sich bewusst entschieden haben, im Fernsehen zu arbeiten, weil sie dort größere Freiheiten haben.

Warum herrscht in Europa immer noch die klassische Aufteilung, wo im Kino anspruchsvolle Stoffe verarbeitet werden und im Fernsehen künstlerisch weniger möglich ist?

Es sind andere Strukturen: In den USA gibt es Sender wie HBO, der ein Abonnentenmodell hat und dadurch anders finanziert ist und sein Publikum sehr genau kennt. ORF und ZDF haben eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die vom Kind bis zur Oma alles abdecken sollte. Dazwischen passieren durchaus auch aufregende Sachen, man muss aber viel mehr bedienen als ein amerikanischer Pay-TV-Kanal. Wenn Sky und Netflix anfangen, zu produzieren, ist das durchaus eine Perspektive. Dennoch: Der deutschsprachige Markt ist einfach kleiner. Und innereuropäisch findet bis auf wenige Ausnahmen kaum Austausch statt, da haben englischsprachige Produktionen einen deutlichen Vorteil.

Sie drehen gerade für den ORF einen "Landkrimi", der diesmal in Kärnten spielt. Was passiert in dem Film?

Die "Landkrimis" sind insofern spannend, weil die Möglichkeit besteht, in "Landessprache" zu drehen, was im normalen Koproduktionsbetrieb nicht möglich ist, weil man immer auch in Berlin verstanden werden muss. Ich genieße inszenatorisch und stilistisch eine große Freiheit. Der Film, den wir hier machen, bewegt sich an einem schmalen Grat zwischen Krimi und Komödie, und es macht unheimlichen Spaß, zu drehen.

Sind Sie persönlich zufrieden mit den Fördermitteln, die Ihnen als Filmemacher im Kino und Fernsehen zur Verfügung stehen?

Ich bin zumindest froh, dass die Mittel angesichts der Krise nicht noch weiter beschnitten wurden. Aber die Budgets sind eng und es wäre wichtig, die Förderung zu erhöhen. Film ist ein Wirtschaftsfaktor, das wird in den Diskussionen oft ignoriert.

Stichwort Wirtschaftsfaktor: Im Vorjahr gab es große Aufregung, dass der ORF seine Produktionsaufträge verringert. Die Schreie sind verstummt. Ist die Situation entspannter?

Entspannter ist die Situation auf keinen Fall. Heuer sind einfach viele amerikanische Produktionen in Österreich gewesen, die kurzfristig Arbeitsplätze bringen. Langfristig gibt es auf jeden Fall Handlungsbedarf, weil die Infrastruktur wegstirbt: Wenn die Leute nur gelegentlich Möglichkeit haben, zu arbeiten, wird irgendwann auch keine amerikanische Produktion mehr kommen, da es weder Leute noch Equipment gibt, um hier drehen zu können. Wir haben in Österreich ja nicht einmal mehr ein Filmstudio, seit die Rosenhügel-Studios verkauft wurden. Wenn man darüber nachdenkt, ist das schon deprimierend. Man verliert die Basis für ein funktionierendes Filmschaffen.

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