Endlich! Nach einer gefühlten Ewigkeit ist wieder ein zarter Hauch von Normalität eingekehrt, und die Wiener Philharmoniker konnten ihr Sommernachtskonzert vor Tausenden Menschen in Schönbrunn feiern. Das Fest für Frieden und Toleranz wurde auch von den gewittrigen Regenschauern im Vorfeld des Konzertes nicht getrübt.
Warum nur ein zarter Hauch? Weil abseits der Pandemie (der Eintritt war wie immer frei) auch dieses Konzert im Zeichen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine stand, weil die Wiener Philharmoniker auch ein musikalisches Zeichen setzen wollten. Ein Zeichen für ein Miteinander, für ein vereintes Europa. Eben ein „Konzert für die Welt“, wie das Orchester vorab betonte.
Am Pult stand mit dem lettischen Stardirigenten Andris Nelsons ein Debütant in diesem Open-Air-Format; mit dem Franzosen Gautier Capuçon sorgte einer der besten Cellisten der Welt bei dem sehr anspruchsvollen „Konzert für Violoncello Nr. 1 in a-Moll“ von Camille Saint-Saëns für höchstmögliche Brillanz. Einfach ein Meister seines Fachs. Wie auch Nelsons und das Orchester ihren Beitrag grandios lieferten.
Los ging es nämlich mit Ludwig van Beethovens großartig musizierter dritter „Leonoren-Ouvertüre“, die gerade in Zeiten von Kriegen ein Symbol der Hoffnung und Menschlichkeit ist. Stichwort Krieg: Mit „Abschied“, einem Walzer in c-Moll, war mit Mykola Lysenko war auch ein ukrainischer Komponist vertreten, der Lette Arturs Maskats wiederum steuerte seinen feurigen „Tango“ bei.
Mit der Ouvertüre zu Gioacchino Rossinis Oper „La gazza ladra“ („Die diebische Elster“) war zudem italienischer Humor garantiert; für viel Schwung sorgte auch die „Rumänische Rhapsodie Nr. 1“ von George Enescu.
In böhmische Gefilde entführte danach Bedřich Smetana mit seiner Ouvertüre zu der Oper „Die verkaufte Braut“, ehe die Wiener Philharmoniker letztlich mit Antonin Dvořák zu einem „Slawischen Tanz“ baten.
Zugaben gab es selbstverständlich auch – etwa den Walzer „Wiener Blut“ von Johann Strauß. All dies wurde auch auf Tonträger und auf DVD dokumentiert.
Das Publikum vor Ort in Schönbrunn (nur die Gloriettewiese war aus Sicherheitsgründen abgesperrt) und vor den Bildschirmen – der ORF war mit 16 Kameras live-zeitversetzt dabei – durfte endlich wieder jubeln und war von Beginn an in Partystimmung.
Rund 65.000 Freunde der klassischen Musik hatten sich laut Veranstalterangaben von den vorherigen Regengüssen nicht abschrecken lassen und den freien Eintritt zum Kulturgenuss genutzt. Das waren zwar weniger als im Rekordjahr 2018, als man 104.500 Gäste zählte - aber naturgemäß deutlich mehr als im Vorjahr, als man sich pandemiebedingt mit einer Höchstgrenze von 3.000 begnügen musste.
Übertragen wurde das Klassikevent traditionell wieder in ORF 2 zeitversetzt ab 21.20 Uhr und von 3sat ab 21.45 Uhr. In den Mediatheken lässt sich der europäische Reigen im Schlosspark also noch nachsehen.
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