Wiener Kulturprogramm: Resilienz und Cluster in Corona-Zeiten
Veronica Kaup-Hasler bleibt Kulturstadträtin von Wien. Und das Kulturprogramm der ersten „sozialliberalen Regierung“ in Österreich trägt ihre Handschrift. Es folgt der Prämisse des Koalitionsabkommens von SPÖ und NEOS: „Wir bauen auf den Errungenschaften der Vergangenheit auf.“
Im Kulturbereich soll daher weitergeführt werden, was bereits begonnen wurde. Die „Fortschrittskoalition“ will zum Beispiel die „Strukturreform der Wiener Großbühnen“ (Volkstheater, Theater in der Josefstadt und Theater der Jugend) fortsetzen und diese Häuser „resilient, konkurrenzfähig und technisch zeitgemäß in das digitale 21. Jahrhundert“ führen. Konkrete Maßnahmen seien u.a. Erhöhungen der Basisförderungen und zeitgemäße Kollektivverträge. Die Vereinigten Bühnen Wien (mit Ronacher, Raimundtheater und Theater an der Wien) werden jedoch nicht erwähnt.
Ausgebaut werden sollen zudem die Mehrjahresverträge: „Zur Verbesserung von Resilienz ist es sinnvoll, längerfristiges Fördern“, wie der Theaterbereich es modellhaft bereits vorführe, „auf andere Genres zu übertragen“. Regelmäßige Valorisierungen werden zumindest „angestrebt“.
"Tiefgreifende Destabilisierung"
Man will zudem „soziale Absicherung und Resilienz in der Kunst erhöhen“: Die Corona-Krise habe bereits „tiefe Spuren im Wiener Kulturleben hinterlassen und für eine tiefgreifende Destabilisierung gesorgt“. Zudem habe sie gezeigt, „dass unsichere Arbeitsverhältnisse schnell zu existenziellen Notlagen führen können“. Um „unwiederbringliche Verluste zu verhindern und das stille Sterben von Institutionen abzuwenden“, brauche es „Überbrückungshilfen und Förderungen.
Es gehe auch darum, „die Arbeitsbedingungen zu verbessern und resilienter gegen Krisen zu machen“ – etwa durch eine bessere Entlohnung, also „Fair Pay“, und durch angemessene Förderungen: „Konkrete Vorhaben sind die weitere Erarbeitung von Richtlinien für Honoraruntergrenzen.“ Die Fortschrittskoalition will „die Ausdehnung kollektivvertraglicher Vereinbarungen auf stadtnahe Institutionen“ initiieren.
Ein zentrales Anliegen der sozialdemokratischen Kulturpolitik bleibt die Partizipation: Man will Gratis-Angebote und Kulturvermittlung ausbauen, der Eintritt in die neue Dauerausstellung des Wien Museums werde kostenlos sein. Und der Kultursommer wird forciert: „Die Fortschrittskoalition arbeitet an neuen Formaten und Angeboten, die gerade in den Sommer-Ferienzeiten ein leistbares und kostenloses Programm für alle bietet.“
"Kulturelle Nahversorgung"
Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Dezentralisierung: Die Fortschrittkoalition will es sich zur Aufgabe machen, „die Grätzln in ihrer Vielfalt und Entwicklung weiter zu stärken und die Teilhabe der Menschen in ihrer unmittelbaren Lebensumgebung zu erhöhen“. Mit einem „weiteren Ausbau von Ankerzentren bzw. der Schaffung von Kultur-Clustern“als „Basis für kulturelle Nahversorgung“ sollen „kulturelle Verdichtungen jenseits des Zentrums“ geschaffen werden.
Man will in einem bevölkerungsstarken Bezirk ein zweites Zoom Kindermuseum errichten – und nördlich der Donau einen zusätzlichen Standort für das Kinder- und Jugendtheater Dschungel. Weiters: „Wir wollen einen Ausbau von mehrsprachigen Angeboten und Maßnahmen, die Vielfalt im Publikum und auf der Bühne ermöglichen.“
Hinzu kommt ein „Produktionsbüro für urbane Kulturarbeit“ (PUK). Es schaffe „die Möglichkeit, als Motor urbane Strategien zu steuern und Kunst und Kultur bis an die Grenzen der Stadt zu vermitteln“. Und man will die Strukturen verbessern. Es geht also zum Beispiel um Probe- und Veranstaltungsräume „jenseits des Zentrums“. Der Bogen reiche vom findigen Nutzen von Leerstand über den Ausbau von Vorhandenem bis hin zu „neuen architektonischen Setzungen für Kultur“.
Auf dem Otto-Wagner-Areal will man ein Atelierhaus mit internationalen Residencies für bildende Künstler errichten. Und das Mahnmal für Roma und Sinti als Opfer des Nationalsozialismus soll „vorangetrieben“ werden. Bezüglich Erinnerungskultur werde „eine Strategie für den Umgang mit historisch belasteten Erinnerungsorten und Denkmälern“ erarbeitet und „das Projekt zur kritischen Auseinandersetzung mit der Namensgebung Wiener Straßen weitergeführt“.
Zudem tauchen Schlagworte wie „Transparenz“ in der Kulturförderung, „Klimaschutz“ und „green filming“ auf. Der bereits präsentierte „Kultur-Token“ soll Realität werden: Man gibt sein Bewegungsprofil bekannt – und erhält, wenn man genügend Wege zu Fuß, mit dem Rad oder den Öffis zurückgelegt hat, Vergünstigungen.
Um die Clubkultur als „Säule des Musikschaffens dieser Stadt“ zu stärken, will man die Vienna Club Commission nach der Evaluierung der Pilotphase neu aufsetzen. Ein neukonzipiertes Medienkunstfestival soll Perspektiven der Medienkunst eröffnen. Und: „Wir werden den Filmstandort Wien weiterentwickeln.“ Man kündigt die „Schaffung und Neuimplementierung von Filmstudios“ an.
Und schließlich will Kaup-Hasler, wie schon angedacht, zusammen mit den Beteiligten eine „Wiener Kulturstrategie“ entwickeln, damit „die Erfahrungen aus der Corona-Krise in vorausschauende und nachhaltige Politik umgewandelt werden“ könne. Jetzt fehlt nur noch das Geld.
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