Wie sich die Bilder gleichen: steirischer herbst widmet sich dem Krieg

Wie sich die Bilder gleichen: steirischer herbst widmet sich dem Krieg
Herzstück des Festivals ist eine Ausstellung, die mit musealer und heutiger Kunst zugleich dringlich und zeitlos sein will

Die Kunst kann es einem eigentlich nie recht machen: Bemüht sie sich um Zeitlosigkeit, erscheint sie inmitten einer angespannten Weltlage schnell abgehoben oder irrelevant. Bemüht sie sich um aktuelle Positionierung, wird sie allzu schnell von den Ereignissen überholt.

Und so steht man in der Neuen Galerie in Graz in einer Ausstellung, die „Ein Krieg in der Ferne“ heißt und angeblich gar nicht von dem Krieg handeln soll, der gefühlt immer näher rückt – die jüngste Drohrede Wladimir Putins hallt noch im Ohr.

Das Thema hatte Ekaterina Degot, aus Moskau gebürtige Intendantin des steirischen herbsts und Hauptkuratorin der Schau, noch vor der russischen Ukraine-Invasion erdacht, Kunstwerke wurden extra dafür in Auftrag gegeben und produziert. Kunst sei immer politisch, ob die Künstler es wollten oder nicht, sagte Degot in ihrer Eröffnungsrede – es sei aber oft nötig, die politische Dimension ans Licht zu bringen.

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Distanz

Die zentrale Ausstellung soll demnach gegen die Behäbigkeit und den Irrglauben antreten, dass man sich in Österreich – und in der Steiermark im Besonderen – aus Kriegen heraushalten kann. Der Weg zur Erkenntnis führt über eine Neubewertung der Sammlung der Neuen Galerie, die eine Zeit umfasst, in die die Napoleonischen Kriege, zwei Weltkriege, aber auch Auseinandersetzungen in relativer räumlicher Nähe am Balkan stattfanden.

In einer Art Ausstellungsessay sind die musealen Bilder mit aktuellen Werken kombiniert. Da geht es etwa um die „braunen Flecken“ in so manchen Künstlerbiografien; in den Bildern, die in der Nachkriegszeit oft Politikerbüros zierten, wurde ihnen das kühle Weiß der Abstraktion entgegengesetzt.

Auch Exotisierung und Romantisierung war oft eine Strategie, um sich den Krieg vom Leib zu halten – ob nun zwei Kameraden in József Borsos’ „Nach der Schlacht“ (1854) verträumt ins Weite blicken oder Bilder von „Zigeunern“ Leid und Entwurzelung einer Gesellschaft der „Anderen“ zuweisen.

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Grenzen

Dass die Verdrängung irgendwann doch auf Grenzen stößt, ist die Botschaft der meisten zeitgenössischen Arbeiten. Der im Aufgang gezeigte Film „Seacoast“ des Ukrainers Mykola Ridnyi, bereits 2008 am Schwarzen Meer gedreht, zeigt etwa eine Strandidylle, die dadurch gestört wird, dass Quallen nach und nach ins Bild plumpsen – begleitet vom Pfeifen fallender Bomben. Josef Dabernigs neuer Film „Pastry Friday“ zeigt Kinder beim Mehlspeisessen und lässt durch die präzise, kühle Darstellung ein Gefühl des Unbehagens einsickern. Henrike Naumann zeigt im Wohnzimmer-Ambiente ein Video, das vom Ende der DDR, aber auch von einem bevorstehenden rechtsextremen Umsturz handeln könnte. Die kultige Philippe-Starck-Zitronenpresse am Regal wird darin zur Waffe.

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Zweifel

Ein Problem bleibt, dass die museale und die zeitgenössische Erzählung weitgehend nebeneinander verlaufen – Berührungspunkte wirken teils sehr gewollt (etwa in der Gegenüberstellung von Porträts steirischer Landtagspolitiker mit Ekaterina Muromtsevas sehr schrägem Film über einen russischen Tennistrainer, der ein lebensgroßes Putin-Porträt malen will). Und es bleibt die Frage, ob Musealisierung nicht selbst ein Mittel ist, um „den Krieg in der Ferne“ zu halten. Zumindest in letzterer Hinsicht gelingt es der Schau aber, Zweifel zu säen.

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