Tróia lebte vom Fisch. In mehr als 50 rechteckigen Becken über drei Kilometer verteilt wurde in der Antike Garum hergestellt, jene Würzsoße, nach der das halbe Römische Reich süchtig war. Mehr als 400 Jahre lang war die Fischfabrik an der portugiesischen Küste in Betrieb. Heute zeugt ein imposantes Ruinenfeld davon, wie bedeutend der Ort einstmals war. Noch, denn der Klimawandel bedroht die älteste Grabungsstätte Portugals, die als Halbinsel vom steigenden Meeresspiegel umzingelt ist.
Ob und was man dagegen unternehmen kann, haben Klimaforscher aus Deutschland, Italien, Portugal, Griechenland, Großbritannien und der Türkei jetzt erhoben. Aus Österreich mit dabei: Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). „Wir haben Verfahren entwickelt, um herauszufinden, was die Gefahren für einzelne Kulturerbe-Standorte sind“, sagt ZAMG-Klimaforscherin Rosmarie de Wit. „Dabei haben wir uns auf fünf Kulturdenkmäler fokussiert.“
Es gehe nicht nur um spektakuläre Wetterereignisse, wie Stürme und extreme Regenmengen, „sondern auch um eher unscheinbare Änderungen der Temperatur. Und um das Testen, ob die Methoden funktionieren“.
Rückblick
13. Februar 2019, 8.30 Uhr: Ein lauter Alarmton schrillt über die Tróia-Halbinsel. Warnsensoren melden starke Winde, heftige Wellen und Fluten, wie sie in Zeiten des Klimawandels stets auftreten können. An die 50 Helfer rücken aus, schützen die Ruinen mit Sandsäcken und verbarrikadieren Fenster mit Holzplanken.
So haben es sich die Forscher im Rahmen des Projekts STORM (siehe Geschichte unten) ausgedacht. De Wit: „Klar, der Klimawandel ist eine große Gefahr, aber viel größer ist die Gefahr, wenn wir uns nicht überlegen, wie wir damit umgehen.“ Mit den Ergebnissen der Klimaschutzübung in Tróia sind die STORM–Forscher jedenfalls zufrieden. Tróia konnte geschützt werden.
Egal, ob das Große Theater in Ephesos, die Thermen des Diokletian in Rom oder das historische Zentrum von Rethymno auf Kreta: Die Klimaforscher haben für alle Standorte langfristige Maßnahmen gegen Verwitterung erarbeitet sowie kurzfristige Maßnahmen, um Ausgrabungen vor Extremwetter zu schützen.
De Wits Erkenntnis: „Es gibt keine einheitliche Antwort auf die Bedrohungen. Für Mellor Mill, eine Baumwollspinnerei bei Manchester aus dem 18. Jahrhundert, haben wir die Frostgefährdung in den nächsten Jahrzehnten berechnet. Frost kann die Bausubstanz massiv schädigen, da sich das Wasser in den Gesteinsfugen und -ritzen beim Gefrieren ausdehnt und dadurch ganze Gesteinsbrocken ausbrechen“, erklärt sie. „Pendelt die Temperatur oft um 0 Grad, kommt es immer wieder zu Schäden. In Mellor Mill werden durch die fortschreitende Klimaerwärmung die Frostschäden abnehmen, was für die Verantwortlichen eine wichtige Information für die Planung von Schutz- und Sanierungsmaßnahmen ist.“
Interaktive Plattform
Analyse und Risikomanagementstrategien sind übrigens in eine interaktive Plattform eingeflossen. „Alle Cultural-Heritage-Manager können dort nachschauen, welche Maßnahmen, die Klimaforscher empfehlen“, sagt de Wit. Manchmal müsse man aber erkennen, dass man mitunter ganz wenig machen könne. „Wir müssen uns damit abfinden, dass Kulturdenkmäler verloren gehen, spezielle jene, die direkt an der Küste liegen. Einzige Option: Alles Aufnehmen und mit Hilfe von Virtual Reality für die Nachwelt erhalten.“
STORM steht für Safeguarding Cultural Heritage through Technical and Organisational Resources Management. Das internationale EU-Projekt, an dem Deutschland, Italien, Portugal, Griechenland, Großbritannien, die Türkei und Österreich beteiligt sind, soll helfen, Kulturerbe besser vor Naturgefahren zu schützen.
Die Orte
Konkret wurde in den vergangenen Jahren das Gefährdungspotenzial für die Thermen des Diokletian in Rom, die Mellor Heritage Site in Großbritannien, das Große Theater in Ephesos, die römischen Ruinen auf der Tróia-Halbinsel in Portugal und das historische Zentrum von Rethymno auf Kreta erhoben und Schutzmaßnahmen ermittelt.
Kommentare