„Westbam meets Wagner“ also bei den Osterfestspielen Salzburg, jenem Festival, bei dem das klassische Hochamt mehr als anderswo zelebriert wird. Dass es dazu kam, ist Intendant Nikolaus Bachler zu verdanken, der mit der Einbeziehung neuer Genres wichtige Schritte setzt. Was an dieser Stelle also gegen diesen Abend eingewendet wird, ändert nicht das Geringste am Bekenntnis zur Richtigkeit eines Aufbruchs.
Westbam, 1965 als Maximilian Lenz in Münster geboren, ist eine deutsche Ikone der elektronischen Musik, sagt von sich selbst, dass er bis vor kurzem wenig mit der Ikone Richard Wagner zu tun hatte und arbeitet sich nun an eben dieser ab. Er kommt mit Kapperl, in T-Shirt und Frack auf die Bühne und wird zehn Mal so intensiv bejubelt wie das 20-köpfige Kammerorchester der Mendelssohn-Orchesterakademie des Gewandhausorchesters. Die Menschen, die um 22 Uhr zu diesem Wagner-Mini-Clubbing gekommen sind, wären also gewillt, die Felsenreitschule zu ihrem Berghain zu machen.
Westbam steht hinten auf der Bühne an seinem DJ-Pult, davor am klassischen Pult agiert Oscar Jockel, von ihm stammen auch die Arrangements. Was man zu hören bekommt, ist eine Art Wagner-Wunschkonzert, durch den Westbam-Mixer getrieben, aber nicht durch den Fleischwolf, sonst wäre es radikaler gewesen (was es vielleicht gebraucht hätte).
Es beginnt mit dem Vorspiel zu „Rheingold“, dann legt Westbam Beats darüber, verfremdet und macht sein eigenes Ding daraus. Später gibt es die Ouvertüre zu „Tannhäuser“, viele Passagen aus dem „Ring“, etwa Siegfrieds Trauermarsch, ganz besonders scheint Westbam „Parsifal“ zu schätzen (wer nicht?), aber auch „Tristan“, das „Lohengrin“-Vorspiel und „Der fliegende Holländer“ kommen zu Ehren. Immer nur kurz angespielt, dann mit dem Westbam-Kapperl versehen. Seitlich sieht man ein Video mit Schnipseln aus Berlin, Lichteffekte sorgen für Club-Atmosphäre (und teils für Kitsch). Am besten ist der Abend, wenn man Wagner noch erkennt. Und insgesamt profitiert Westbam von Wagner wesentlich mehr als umgekehrt, eh klar.
Für die Osterfestspiele ist das mega-innovativ, für die Opernwelt insgesamt nicht. Zahlreiche Wagner-Produktionen wirken wesentlich kühner und zeitgemäßer. Vielleicht bräuchte es einen heutigeren Techno- oder Pop-Künstler zum Wagner-Faschieren, um wirklich junges Publikum zu erreichen.
So hört man einen kurzweiligen, teilweise coolen, teilweise erstaunlich retro anmutenden Abend. Gesang gibt es nicht, dafür ein paar Stimmen vom Band, etwa von Ben Becker, der mehrfach den Satz sagt: „Zu alt zum Tanzen, zu jung zum Sterben.“ Wer weiß, was Westbam Opernliebhabern damit ausrichten will.
Eine Sternewertung entfällt mangels Vergleichbarkeit. Könnte genauso ein Stern wie fünf Sterne sein.
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