Werner Hofmann: Ein großer Geist der Kunst

APA5391032 - 28092011 - WIEN - ÖSTERREICH: Autor Werner Hofmann am Mittwoch, 28. September 2011, im Rahmen der Präsentation des Buches "Avramidis. Der Rhythmus der Strenge" in Wien.. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Der Wiener Kunsthistoriker und ehemalige Direktor der Hamburger Kunsthalle starb im Alter von 84 Jahren. Ein persönlicher Nachruf von Michael Huber.
Es ist wohl nicht vermessen, Werner Hofmann als den Mann zu bezeichnen, der in den 1960er Jahren die moderne Kunst nach Wien brachte: Das Museum des 20. Jahrhunderts im "20er Haus", das der 1928 geborene Kunsthistoriker als Gründungsdirektor von 1962 bis 1969 leitete, war damals so etwas wie ein einsamer Leuchtturm in einer Stadt, die wichtige Entwicklungen der Moderne lange verschlafen hatte.
Ab 1960 hatte sich Hofmann für die Sammlung moderner Kunst in Wien stark gemacht: Der gebürtige Wiener, der von 1956-59 selbst in Paris gelebt hatte, griff damals auf seine exzellenten Kontakte zurück, verhandelte mit Galeristen und Sammlern in der französischen Kunsthauptstadt und erstand Hauptwerke der Klassischen Moderne - etwa Gemälde von Wassily Kandinsky, André Derain oder Paul Delvaux. "Er hat viel nachgeholt, was über Jahrzehnte verabsäumt wurde", erklärt Rainer Fuchs, stellvertretender Direktor der Nachfolge-Institution mumok, im KURIER-Gespräch. Hofmann sammelte dabei nicht nur "Highlights", erklärt Fuchs: Weniger als die Kunst einzelner Personen wollte er die verbindenden Merkmale bestimmter Zeitepochen im Museum abbilden.
Der unglaublich weitsichtige Zugang zur Kunst, der Erscheinungen der Gegenwart brillant mit der Geschichte in Beziehung setzen konnte, wird als Hofmanns Erbe erhalten bleiben: War er als Museumsdirektor ein kluger und durchaus scharfzüngiger Stratege, so war er zugleich auch ein Gelehrter alter Schule und ein hochgradig inspirierender Kunstschriftsteller.

Ich selbst lernte Hofmann anlässlich der Ausstellung "Ich traue meinen Augen nicht", die er 2011 im Karikaturmuseum Krems gestaltet hatte, erstmals persönlich kennen. Anfangs durchaus unwirsch, mauserte sich der respektgebietende Herr im Lauf unseres Gesprächs zu einem Enthusiasten, dessen Freude am Herstellen immer neuer Bezüge - zwischen "hoher" und populärer Kunst, zwischen Bildern, Musik und Literatur - enorm ansteckend war.
Die Karikatur war ein Herzstück von Hofmanns Denken: Seine 1956 veröffentlichte Dissertation, während der Arbeit als Assistent an der Albertina 1950-'55 verfasst, widmete er der "Karikatur von Leonardo bis Picasso". In den grotesken Ausformungen dieser so genannten "Randkunst" fand Hofmann einen Schlüssel zur Gegenwart, wie er 2011 noch schrieb: "In den Abseiten des Kunstgeschehens, denen aus der Sicht der ästhetischen Beckmesser die Kunstwürde abgeht, bereitete sich die vielschichtige Geschmackswende vor, die dann in den gleichsam professionellen Avantgarden des 20. Jahrhunderts die "Moderne" konstituieren wird."
Besonders angetan hatten es Hofmann jene fantasievollen Formen, die mehrere Bedeutungen in sich vereinten: Antike Mäanderfiguren etwa, oder Landschaftsbilder, die sich auf den zweiten Blick als liegende Porträts entpuppen; Vexierbilder, die zugleich einen Ente oder einen Hase zeigen; oder auch die aus Pflanzen und Tieren zusammengesetzten Bilder des Arcimboldo im Kunsthistorischen Museum.
Für derlei Vieldeutigkeit prägte Hofmann den Begriff der "Polyfokalität", den er einerseits als Schlüsselelement der Moderne sah, aber in der Kunst verschiedenster Epochen festzumachen wusste: In den "Grundlagen der modernen Kunst" (1987) beschäftigte er sich mit Van Gogh & Co, in "Das entzweite Jahrhundert"(1995) befasste er sich mit der Kunst von 1750–1830. Der empfehlenswerte Sammelband "Die gespaltene Moderne" (2004) führt seine Denkweise nochmals vor und verknüpft sie mit seinen intellektuellen "Leitfiguren", die Hofmann unter anderem bei Nietzsche, in der "Wiener Schule der Kunstgeschichte" bei Julius von Schlosser oder beim Hamburger Kunstwissenschafter Aby Warburg fand.

Hamburg war auch der längste Wirkungsort Hofmanns - von 1969 bis 1990 leitete er die dortige Kunsthalle, nicht ohne sich immer wieder auch an der Debatte um Wiener Institutionen zu beteiligen. Am Mittwoch, dem 13. März, ist Werner Hofmann 84-jährig in der Hansestadt gestorben.

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