Werner Herzog: "Trump nicht das Problem, eher das Symptom"

Interview mit Filmregisseur Werner Herzog
Werner Herzog wird im Metro Kinokulturhaus eine umfassende Retrospektive gewidmet (bis 1. März).

Das Werk von Werner Herzog passt in kein filmisches Klischee: Es bewegt sich zwischen Dokumentation und Spielfilm, zwischen Hollywood und Low-Budget. Er dreht an exotischen Orten, unter extremen Bedingungen und bis an die Grenze des Existenziellen gehenden physischen und psychischen Herausforderungen.

Herzog stellt seine Kameras dort auf, wo etwas passiert – oder wo er etwas passieren lässt. Schon bevor er mit Filmen wie "Aguirre, der Zorn Gottes" und "Fitzcarraldo" (gemeinsam mit Klaus Kinski) Weltruhm erlangte, sorgte er in den 1960er- und 70er-Jahre für einen ganz eigenen Tonfall im damals aufblühenden "Neuen Deutschen Film".

Seit Mitte der 1990er-Jahre lebt Herzog in Kalifornien und thematisiert vorzugsweise das mörderische Gegenteil des "American Way of Life" – den "American Way of Death". Dass ausgerechnet der in der bayerischen Provinz aufgewachsene Herzog in den vergangenen Jahren sogar in Hollywood Fuß fassen konnte, zählt zu den Mysterien der Filmindustrie. Jedenfalls arbeitet er seither mit Stars wie Eva Mendes, Nicolas Cage, Willem Dafoe, Christian Bale oder mit Nicole Kidman zusammen.

Für seine Filme hat Herzog viele Preise gewonnen. Er hat Opern unter anderem in Bayreuth und der Mailänder Scala inszeniert.

Nun wird bis zum 1. März 2017 eine umfassende Retrospektive von Werner Herzogs Schaffen – mit zahlreichen österreichischen Erstaufführungen – im Wiener Metro Kinokulturhaus zu sehen sein.

KURIER: Sie haben mir einmal erzählt, dass Sie nicht träumen und dass Sie das irritiert. Ist das immer noch so?

Werner Herzog: Ja, es ist tatsächlich so, dass ich nicht träume – höchstens ein- oder zwei Mal im Jahr. Ich empfinde das immer wieder als Vakuum: Wieder eine Nacht, die du nicht geträumt hast! Es ist möglich, dass ich dieses Vakuum und diese Abwesenheit von Träumen dann im Kino umsetze. Wenn ich träumen würde, dann würde ich vielleicht keine Filme machen.

Man hat Sie – vor allem was Ihre frühen Filme betrifft – immer als "Besessener" bezeichnet. Wie sehen Sie sich selbst?

Selbstbild habe ich keines, weil ich es vermeide auf mich zu schauen. Wenn Sie von mir als einem "Besessenen" reden, dann denken Sie an meine frühen Filme. Seither habe ich aber mehr als vierzig weitere Filme gedreht, von denen man hier möglicherweise kaum welche kennt. Die meisten Menschen übertragen die Eigenschaften meiner inzwischen schon 102 Hauptfiguren auf mich, aber diese Gleichung muss nicht aufgehen.

Sie wurden in den 1960er- und 70er-Jahre als Hoffnungsträger des "Neuen Deutschen Films" gesehen. Sie haben sich aber nicht so sehr wie Ihre Kollegen mit der innerdeutschen Politik auseinandergesetzt, sondern eher globale Themen für Ihre Filme gewählt.

Das war eher ein Problem für die Medien, die immer wieder versucht haben, mich in irgendeine Schublade zu stecken. Aber dass ich mich nicht mit deutscher Innenpolitik auseinandergesetzt hätte, stimmt so nicht! In den 1960er- und 70er-Jahren ging es gar nicht um das, was man heute "Innenpolitik" nennt. Tatsache ist, dass damals die Forderung war, dass das Kino ab jetzt der Weltrevolution zu dienen habe. Wir mussten Weltrevolution machen – und das wollten wir auch alle. Ich war nur gegen die klein- und großbürgerlichen "Pseudo-Revolutionäre".

Sie leben ja jetzt schon seit einiger Zeit in Hollywood ...

Nein. Ich muss Sie unterbrechen. Ich lebe nicht in Hollywood, sondern in Los Angeles – das ist ein großer Unterschied. Ich bin dort verheiratet! Ich bin also wegen einer Frau dorthin gegangen und nicht wegen Hollywood

Sie werden sich auch in L.A. mit dem neuen Präsidenten Donald Trump auseinandersetzen müssen. Sehen Sie ihn auch als Zeichen, dass in den USA – wie ja auch in Europa – rechte Tendenzen immer stärker werden?

Bei Trump ist das anders – denn er ist ja kein Republikaner. Er war zwar ihr Kandidat, aber eigentlich ist er der erste "independent" – also parteiunabhängige – Präsident. Er hat sich ja auch rabiat gegen die Republikaner gestellt – und ebenso rabiat gegen die Medien und gegen die Geheimdienste. Was jetzt mit ihm daherkommt ist ungewöhnlich und wir haben noch keine richtige Weise gefunden, um mit ihm umzugehen. Er ist ja auch noch gar nicht Präsident, das wird er erst in ein paar Tagen sein.

Was erwarten Sie?

Was mich immer gestört hat an meinen Freunden – die alle Demokraten und Liberale sind: Sie haben zynischerweise immer vom "Heartland" Amerikas geredet – oder von den "Fly overs". Gemeint sind damit diejenigen, über die wir von der Ost- zur Westküste hinwegfliegen. Und auf einmal haben sich diese "Fly overs" zu Wort gemeldet. Trump ist ja nicht das Problem, er ist eher das Symptom. An ihm können wir erkennen, wie viele Amerikaner im Herzen des Kontinents denken.

Denken Sie schon über mögliche Exilländer nach?

Das tue ich immer – auch ohne Trump! (lacht). Einen Ort, wo alles gut und schön ist, das gibt es ja leider nicht!

Und wie steht es mit Wien als möglichem Exil? Sie waren 1991 Präsident der Viennale und haben jetzt hier Ihre bisher größte Retrospektive?

Man kann hier sehen, wie ich begonnen habe und dass ich nicht im Alter von 19 Jahren stehen geblieben, sondern inzwischen erwachsen geworden bin. Es ist schön, dass man hier alle meine Filme sehen kann. Wien ist der erste Ort auf der ganzen Welt, der das geschafft hat – und darauf bin ich sehr stolz. Ich bin ja auch sehr gerne in Wien!

(Von Gabriele Flossmann)

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