Linzer Kammerspiele: Wenn nicht sein darf, was angeblich nicht sein darf

Dominiert das Geschehen: Klaus Müller-Beck als Mutter Agathe
Sara Ostertag inszenierte in den Linzer Kammerspielen „Tom auf dem Lande“ von Michel Marc Bouchard als beeindruckende Performance

Der Abend in den Linzer Kammerspielen beginnt zärtlich: Tom und Guillaume verlieben sich. Ariel Oehl, ganz hinten auf einer Brüstung, singt dazu  „Do you believe in life after love?“ von Cher. Doch die Erinnerungen und Reflexionen – von Regisseurin Sara Ostertag als Ouvertüre vorangestellt – werden jäh unterbrochen: „Darf man erfahren, was Sie in meinem Haus suchen?“

In „Tom auf dem Lande“ des kanadischen Dramatikers Michel Marc Bouchard, 2011 uraufgeführt, steht die Titelfigur einer geradezu gespenstischen Frau gegenüber. Der erste Eindruck vom kahlköpfigen Klaus Müller-Beck  im nonnenstrengen Trauerkostüm  täuscht aber: Seine Agathe ist eine verzweifelte, enorm gütige Mutter, die ahnt, dass Gravierendes nicht stimmt.

 Ihr sei – angeblich – nicht zumutbar, die Wahrheit über die sexuelle Ausrichtung von Guillaume zu erfahren, der mit 25 ums Leben kam. Tom, zum Begräbnis angereist, wird gezwungen, eine heterosexuelle Lebensgeschichte aufzutischen. Und der Städter fügt sich Francis, dem äußerst brutalen Bruder von Guillaume (der jedoch etwas Faszinierendes hat).

Man ahnt es schon bald: Das kann nur tragisch enden, auch wenn Müller-Beck, der die streng durchchoreografierte, fast abstrakte Inszenierung überstrahlt, zwischendurch für die notwendige Heiterkeit sorgt – mit einem Nudelsalat-Exkurs.

Linzer Kammerspiele: Wenn nicht sein darf, was angeblich nicht sein darf

Sara Ostertag und ihre langjährige Bühnenbildnerin Nanna Neudeck verschießen ihr Pulver aber nicht gleich: Erst zur Halbzeit teilt sich die kleine Tribüne,  auf der sich Jonatan Salgado Romero als Guillaume quasi geopfert hat. Und es bläst sich eine Hüpfburg rund um einen elektrischen Bullen auf: eine machtvolle Metapher, Spielwiese  für Szenen der Gewalt. Tom (Daniel Klausner) bleibt Francis (Markus Ransmayr) ausgeliefert, aber zumindest Ostertag endet hoffnungsfroh. Eine beeindruckende Performance.

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