Mit den einstigen Stücken hat „Nachsagungen.“ – abgesehen von den elliptischen Streeruwitz-Sätzen – nichts gemein: Basierend auf einer Recherche und im Rahmen eines Schreibauftrags entstand, so liest man, „ein Geflecht aus Monologen, das nach begünstigenden Strukturen hinter Femiziden als den radikalsten Ausformulierungen eines toxischen, patriarchalen Denkmusters fragt“. An die Stelle einer Bebilderung träte in der Inszenierung eine atmosphärische Bilderwelt, die mit der Imagination arbeitet.
Die Ankündigung hat nicht zu viel versprochen: Im sehr abstrakten Setting von Martin Siemann mit Leuchtröhren-Konstellationen und der Geräuschkulisse von Philipp Pettauer absolviert Gerti Drassl binnen einer dichten Stunde alle Monologe beziehungsweise Pseudo-Dialoge: Sie gibt den meist ungehörten Menschen rund um die Getöteten, darunter einer traumatisierten Mutter, eine Stimme. Eine Interaktion mit den Schattenfiguren im Hintergrund gib es nur im Ausnahmefall.
Ungeschminkt
Zusammen mit anderen Lichteffekten entstehen starke Bilder, das Rot dominiert. Dennoch wäre es hilfreich gewesen, wenn man wüsste, wer gerade, von Gerti Drassl ungeschminkt verkörpert, spricht. Streeruwitz jedenfalls lässt im Text eindeutig determinierte Menschen zu Wort kommen, etwa die Lehrerin Hanni Burger (63), die Angestellte Petra Kronbichler (29) und den Polizisten Manfred Holzner (71).
„Nachsagungen.“ ist natürlich in erster Linie eine Anklage und eine Trauerrede, aber auch ein Erklärstück, warum Männer töten. Etwa, weil sich „ihre“ Frauen in der heutigen Zeit nicht mehr fügen, sondern eigenständige Leben führen.
Nach und nach legt Gerti Drassl, je nach Situation in ein Handy oder zum Publikum sprechend, ein klinisch weißes, transparentes Kleidungsstück ab, bis sie sich vom passiven Mordopfer zur Witwe in Schwarz gewandelt hat. Der Abend endet erstaunlich positiv. Denn das, was im Prolog (mit Hall aus dem Off) nur angedeutet wird, kostet die Schauspielerin im Finale triumphierend aus. Elisabeth König (77) hat den Mordanschlag überlebt – und rechnet nun mit ihrem verstorbenen Mann genussvoll ab: „Es hat dir Spaß gemacht. Oder?“
Mit dieser Klammer widerlegt Streeruwitz nebenbei Klischees: Der „Arni“ war Musiker, der im Konzerthaus seine Proben absolvierte. Der Femizid hat nichts mit Migrationshintergrund oder einer sozial benachteiligten Schicht zu tun.
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