Wenn die Erniedrigung der Vergessenen Standard ist

Uraufführung bei den Wiener Festwochen: Sibylle Bergs „Hass-Triptychon“ im Volkstheater.
Bei Ersan Mondtag wird aus Sibylle Bergs „Hass-Triptychon“ kein Feel-Good-Abend.

Skelette sitzen vereinzelt zwischen den Besuchern auf Sesseln des eigens mit einer Tribüne ausgestatteten Volkstheaters. Verlorene, Suchende, Erniedrigte auf der Bühne. Perspektivlos in ihren Existenz, weil das Leben für sie nur Bullshit-Jobs oder nur noch Alkohol, eine gestreamte Serie und ein bisschen Porno übrig hat.

„Hass-Triptychon – Wege aus der Krise. Eine Therapie in drei Flügeln“ von Sibylle Berg zeichnet Bilder der Trostlosigkeit von Menschen in ihrer seelischen Notdurft irgendwo an einem Autobahnzubringer – das schonungslose Porträt einer Gesellschaftsschicht im Spätkapitalismus, die gern als Randgruppe bezeichnet wird.

Farce ohne Hoffnung

Ein Wohncontainer einerseits und graue Fassaden andererseits rotieren auf der Drehbühne (Ausstattung: Nina Preller).

Benny Claessens, vom deutschen Feuilleton zum „poetischen Nilpferd“ geadelt, klettert im weißen Mantel und mit langer weißer Perücke aus dem Kanal, gibt fortan die Diva à la Georgette Dee und und führt als „Hassmaster“ durch – ja, was eigentlich?

Eine grelle Trash-Comedy, ein Anti-Musical, eine Todessehnsuchtsrevue, einen deliranten Comic Strip, eine Farce ohne Hoffnung, ein Requiem auf eine Vergangenheit, als noch nicht Content in Großraumbüros produziert wurde? Oder schlicht ein zynisches Horror-Szenario?

Im Zugespitzten liegt die Qualität der Texte. „Ich bin keine Hoffnungsträgerin“, sagt eine Akteurin in der schrägen Truppe der von der Welt Vergessenen. „Ich bin eine Frau. Ich bin nichts.“

„Es ist Samstag. Und an wen soll ich meine Jugend verschwenden“, fragt sich ein anderer, „wenn nicht einmal ich an mir interessiert bin?“

Dann kommt die Lethargie des Sonntags mit der Sehnsucht nach dem Montag, nach dem Job, den man nicht mag, ehe man in eine Behausung heimkehrt, die man auch nicht mag. Während zwischendurch der Bankomat streikt, so dass „da nichts mehr aus der Wand kommt, was man gegen Toastbrot tauschen kann“.

Das Ventil derer, die der Welt egal sind, ist die Wut. Erst im Exzess der Gewalt spüren sie sich wieder. Das Töten als hemmungslos gelebter Hass ist der letzte Ausweg der Abgehängten, Gedemütigten und Gering-Geschätzten.

Nur steht leider das Schießen immer vor dem Denken.

Spannend, beklemmend – und ein Erfolg vor allem für Regisseur Ersan Mondtag.

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