So fragt sich Stefan Kaegi, Mitbegründer von Rimini Protokoll. In seiner neuen Produktion, Ende Jänner im Rahmen der Berliner Festspiele uraufgeführt, gibt er grandios aufbereiteten, gewitzten, geradezu erstaunlichen Nachhilfeunterricht.
Ab 1949, nach dem Ende des Bürgerkriegs, errichtete Mao Tse-tung auf dem chinesischen Festland seine kommunistische Diktatur. Die Regierung der zuvor etablierten Republik China sowie Eliten und Streitkräfte zogen sich auf die vorgelagerte Insel, so groß wie Österreich, zurück.
Man wollte auf Taiwan verharren, bis der Spuk vorbei war. Die Exilregierung vertrat den chinesischen Staat bei den Vereinten Nationen und war Mitglied des UN-Sicherheitsrats. Aber im Zuge der Ein-China-Politik (es könne nur ein China geben) erzwang das Mao-Regime aufgrund seiner Stärke, dass immer mehr Staaten, darunter auch Österreich, die diplomatischen Beziehungen zur Republik China abbrachen und diese nicht anerkennen. Taiwan hat daher nur zwölf Botschaften – in eher unbedeutenden Staaten.
Foyer, Flaggen, Fauteuils und Messingschild
Hier setzt Stefan Kaegi, der Ende 2022 ans Nationaltheater in Taipeh eingeladen worden war, mit seinem augenzwinkernd wie herzerfrischend subversiven Erklärstück „Dies ist keine Botschaft (Made in Taiwan)“ an: Für die Dauer einer Vorstellung wird eine diplomatische Vertretung eingerichtet – samt Foyer, Flaggen, Fauteuils und repräsentativem Messingschild.
Es handelt sich um eine typische Rimini-Protokoll-Produktion: Kaegi hat wieder „Experten des Alltags“ eingeladen, um möglichst viele Facetten der Grundproblematik anschaulich und hautnah darzulegen. Und er hat wieder großartige Sympathieträger gefunden. Zunächst sitzt Chiayo Kuo, Spezialistin für digitale Medienarbeit, wie im Fernsehstudio hinter der Skyline von Taipeh, um Land, Leute und Sehenswürdigkeiten vorzustellen: Auf einer Mini-Bühne klappt sie, ganz analog, affichierte Fotos auf.
Bubble Tea
Danach berichtet die Musikerin Debby Wang über ihre Familie, die unter der Marke Possmei als Quasi-Botschafter höchst erfolgreich Zutaten für Bubble Tea (eine taiwanesische Erfindung) exportiert. Sie untermalt die eingespielten Video-Sequenzen, Lichtbildervorträge und Spielszenen mit Schlagwerk-Loops.
Und schließlich erscheint mit David Wu tatsächlich ein – äußerst höflicher – Diplomat. Seine Lebensgeschichte dient als Metapher für das Verhältnis von China und Taiwan: Wu fand zwar heraus, ein „verlorener Bruder“ zu sein; seiner Ursprungsfamilie will er sich trotzdem nicht anschließen. Ihm geht es darum, eine Nation aufzubauen.
Zu dritt fragen sie, ob sie hier, im Volkstheater, eine Botschaft eröffnen dürfen. Das Publikum erklärt sich einverstanden. Das ist gut so, denn sonst wäre das Stück schon wieder aus. Für die nur zwei Vorstellungen in Wien (am 2. und 3. März) adaptierte Stefan Kaegi seinen Abend: Die „Botschafter“ begrüßen als fiktive Gäste im Saal u. a. Karl Nehammer und Alexander Schallenberg. Das ist amüsant. In ihren Äußerungen aber sind die Stellvertreter äußerst zurückhaltend. Denn sie wollen den übermächtigen Bruder nicht reizen – und keinen Krieg. Ein faszinierender Abend!
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