Wegen Pro-Palästina-Gedicht: Belvedere distanziert sich von Kuratorinnen
Die Bruchlinien, die sich angesichts des Kriegs in Israel innerhalb der zeitgenössischen Kunstszene auftun, werden nun auch in Österreich sichtbar: So veranlasste ein Beitrag in der Ausstellung "Über das Neue" im Wiener Belvedere 21 das Museum dazu, sich von dem Kollektiv "Improper Walls" (etwa: "Unangemessene Wände"), das im 15. Wiener Gemeindebezirk einen Kunstraum betreibt, zu distanzieren.
Das Museum stufte eine Widmung, die an einem Wandtext angebracht wurde, als "klar antisemitisches Statement" ein. Die Gruppe zog sich daraufhin ganz aus der Schau zurück. Sie beteuert, keine Spaltung in der Debatte zu wollen, ergreift aber weiter Partei für pro-palästinensische Demonstranten.
"Für Firas aus Palästina"
Konzept der Ausstellung "Über das Neue" ist es, Protagonistinnen und Protagonisten der aktuellen Wiener Szene einzubinden und diesen die Gestaltung von Ausstellungsbereichen zu überlassen; während der Laufzeit (bis 14. 1. 2024) rotiert die Bespielung des Raumes, die jüngste Version eröffnete am 26. Oktober.
"Improper Walls" hatten ein Gedicht der polnischen Dichterin Wisława Szymborska als Wandtext appliziert, während des Aufbaus wurde handschriftlich eine Widmung hinzugefügt: „To Firas from Palestine and Ali from Lebanon, and all the people suffering from forced displacement whose names we do not know and whose stories have gone untold“ ("Für Firas aus Palästina und Ali aus dem Libanon, und all die Menschen, die unter Vertreibung leiden und deren Namen wir nicht kennen".)
"Wir lehnten ab, diese Widmung, die sich uns in der aktuellen politischen Situation als israelfeindlich darstellt, mit der Öffentlichkeit des Museums zu teilen, insbesondere in Hinblick auf den spezifischen historischen Kontext in Österreich", heißt es in einem Statement des Belvedere, das zuerst an die beteiligten Künstlerinnen der Schau ging und später über den Instagram-Kanal @eselschwarm geteilt wurde; es liegt dem KURIER vor. Wie das Kollektiv "Improper Walls" auf Nachfrage erklärt, beschäftigte sich die für die Schau geplante Installation mit der Situation an der polnisch-weißrussischen Grenze und habe nichts mit der aktuellen Situation zu tun. Bei "Firas" und "Ali" handle es sich um Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr an dieser Grenze angetroffen wurden.
Auf eigener Website noch nachgelegt
Einer Aufforderung, es bei einer generellen Widmung an alle Vertriebenen zu belassen, sei "Improper Walls" laut Belvedere nicht nachgekommen. Parallel postete das Kollektiv ein Statement auf seiner Website, das zu einem Waffenstillstand aufruft, dabei aber alle Eckpunkte des israelfeindlichen Narrativs wiederholt: Israel wird darin der "ethnischen Säuberung" und der Kriegsverbrechen beschuldigt, als Besatzungsmacht dargestellt und der "Apartheid" bezichtigt.
"Diesem für uns klar antisemitischen Statement ist aus unserer Sicht im Kontext des bestialischen Überfalls auf Juden*Jüdinnen in Israel durch die Hamas am 7. Oktober 2023 aufs Schärfste zu
widersprechen", heißt es im Schreiben des Belvedere. "Wir stehen dazu, terroristische von militärischer Gewalt zu unterscheiden und Relativierungen keinen Raum und keine Öffentlichkeit zu geben." Gegenüber dem KURIER erklärt das Kollektiv, jedwede Form der Diskriminierung abzulehnen, und ergänzt dabei aber: "Wir sind auch schockiert und traurig über die Zunahme hasserfüllter Angriffe auf jüdische und muslimische Gemeinschaften weltweit und die polizeiliche Verfolgung pro-palästinensischer Demonstranten."
Es sei nicht überraschend, dass ein brandaktueller gewalttätiger Konflikt wie das Belvedere 21 erreiche, hieß es weiter im Schreiben des Belvedere. Bereits 2022 hatte die Kunstschau documenta, die zentrale kuratorische Kontrolle zugunsten einer erhofften Vielstimmigkeit aufgegeben hatte, mit antisemitischen Inhalten zu kämpfen gehabt.
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