Waxolutionists: "Unsere Musik lebt von Samples"
Buzz, The Bionic Kid und Zuzee hat es wieder in den Fingern gejuckt. Nach einer sechsjährigen Pause, in der das Trio eigenen Projekten nachgegangen ist, kehren sie als Waxolutionists auf das Hip-Hop-Parkett zurück.
"The Big Butter, Part 1" (Label: Duzz Down San) heißt ihr neuer, gelungener Longplayer, auf dem die "Waxos" auf ihre 20-jährige Bandgeschichte zurückblicken. Ein Gespräch, bei dem das Siezen unerwünscht ist.
KURIER: Nach sechs Jahren Pause erscheint euer neues Album. Was hat sich seither verändert?
Buzz: Vinyl zu veröffentlichen ist schwieriger geworden. Man braucht heutzutage Glück, um beim Presswerk einen Termin zu bekommen. Früher musste man auf Pressungen maximal sieben, acht Wochen warten. Jetzt kann es passieren, dass man ein halbes Jahr auf eine Platte warten muss. Dem Vinyl-Hype sei Dank ...
The Bionic Kid: Man kann kaum noch planen: Das Datum der Veröffentlichung bestimmt mittlerweile das Presswerk.
Buzz: Die Suche nach einem geeigneten Label ist auch nicht einfacher geworden. Viele Labels bieten einem zwar eine gewisse Infrastruktur an, aber am Ende muss man von Anfang bis zum Ende vieles selber machen.
Ihr habt euch anlässlich der Produktion des Albums auf einer Almhütte getroffen. Was war der Plan dahinter?
Buzz: Wir wollten einfach abschalten, das Handy abdrehen. Diese ständige Verfügbarkeit ist enorm stressig. Ständig poppt eine neue Nachricht auf, die wiederum eine Antwort verlangt. Man ist andauernd überfordert. Es ist eine permanente Reizüberflutung. Und so haben wir uns eine Woche lang in einer Hütte auf der Planneralm eingesperrt. Ohne Internet. Und ohne Telefon. Da geht am meisten weiter. So werden wir das auch beibehalten.
The Bionic Kid: Dieses bewusste Einsperren, das Zeitnehmen erinnert mich an unsere Anfänge in den 1990er-Jahren. Da gab es noch kein Handy. Man machte sich damals via Festnetz einen Treffpunkt aus, traf sich oft bei jemandem zu Hause und blieb dort oft zwei, drei Tage lang.
Wie habt ihr die 90er-Jahre in Wien in Erinnerung?
Buzz: Wir sind sehr viel herumgereist, haben uns Konzerte angesehen und von unseren Reisen immer wieder Tapes und Platten mitgebracht. Es wäre auch nicht anders möglich gewesen, denn in Wien gab es zu dieser Zeit wenig Angebot.
Wie hat sich Hip-Hop in den vergangenen Jahren verändert?
The Bionic Kid: Es ist relativ viel passiert. Hypes waren da und gingen. Als wir unser letztes Album veröffentlicht haben, das war 2009, war gerade Gangster-Rap total angesagt. Das hat sich wieder verflüchtigt.
Buzz: Jetzt gibt es viel Boom bap (Subgenre im Hip-Hop, Anmerkung) mit wirklich guten MCs. Vor allem in Deutschland kommen in diesem Bereich tolle Platten heraus – von Künstlern wie Eloquent, Negroman oder Madness & Döll. Es gibt viele kleine Labels, die sich auf einen speziellen Sound spezialisiert haben. Sichtexot zum Beispiel. Ein Label, das nur das veröffentlicht, was zu ihnen passt. Sehr jazzig, feine Raps, tolle Grooves.
The Bionic Kid: Dicke-Eier-Rap, Gangster-Rap und anspruchsvollerer, intelligenter Hip-Hop können mittlerweile gut nebeneinander existieren. Und es gibt auch noch die Pop-Variante von Cro. Das geht sich alles aus.
Buzz: Ganz nach dem Motto: Leben und leben lassen. Es herrscht gerade ein entspannter, respektvoller Umgang untereinander.
Aber gehören Streitereien nicht dazu?
Klar. Es gibt auch immer wieder Wortgefechte und Wortmeldungen. Das ist auch gut so, denn ohne diese wäre das Genre tot. Aber aktuell schwingt bei den Wortmeldungen einfach nicht mehr ganz so der aggressive Unterton mit, wie es vor sieben, acht Jahren der Fall war.
Ihr habt jetzt viele Rapper aus Deutschland genannt. Aber wie sieht es in Österreich aus?
Buzz: Der deutsche und österreichische Hip-Hop sind eng miteinander verbunden. Das läuft immer parallel. Mit fällt auf, dass österreichische Acts ein bisschen eigenständiger sind als deutsche.
Wie seht ihr den Hype um Yung Hurn?
Buzz: Ich bekomme das nur am Rande mit, weil ich diese Art von Hip-Hop kaum höre. Aber er dürfte anscheinend einiges richtig machen. Er scheißt auf jedes Majorlabel und hat trotzdem viel Erfolg. Das ist genau diese Unabhängigkeit, von der wir vorher bereits geredet haben.
The Bionic Kid: Es gibt dann auch noch so Leute wie Crack Ignaz, T-Ser, Kreiml & Samurai und Brenk Sinatra, die haben eine super Fanbase. Da hat sich ein kleiner feiner Kreis etabliert, der mittlerweile auch in Deutschland gut ankommt – auch wenn in Dialekt gerappt wird und die Deutschen kaum etwas verstehen.
Was macht einen Waxolutionists-Track aus?
Buzz: Er vermittelt einfach eine besondere Stimmung.
The Bionic Kid: Für mich gibt zwei unterschiedliche Nummern von uns: Da wäre der trippige und leicht melancholische Track, der in Richtung Mo’ Wax (ein renommiertes britisches Plattenlabel, das durch stilprägende Veröffentlichungen im Bereich des Trip-Hop bekannt wurde, Anmerkung) geht. Er ist intensiv, komplex und hat eine Sample-Sprache, die sich seit unserem ersten Album nicht verändert hat. Die andere Nummer geht zwar in die gleiche Richtung, ist aber lustiger und verspielter – wie zum Beispiel "Freifach Musik" auf "Plastic People" von 2002 oder "Mr. Nice" auf der neuen Platte.
Warum arbeitet ihr nicht mit einem Rapper zusammen?
Buzz: Wir hatten keinen Bock auf Raps. Wir wollten den Fokus auf jenen Sound legen, mit dem in den 1990er-Jahren alles angefangen hat.
The Bionic Kid: Es braucht einfach einen guten Rapper, der mich überzeugt. Ansonsten höre ich lieber rein instrumentalen Hip-Hop. Denn die oft kindischen Texte gewisser Rapper nerven mich nur.
Ihr verwendet zahlreiche Samples. Wie sieht es mit den Rechten aus?
The Bionic Kid: Die Frage, ab welchen Zeitpunkt man die Rechte eines Sample abklären muss, stellt sich eigentlich nicht. Denn man kann theoretisch für eine Kickdrum verklagt werden, was in den USA auch passiert. Aber die Geldmacherei mit Sampleklagen wird sich bald aufhören. Sampling ist eine Zutat, die nicht nur in der Musik, sondern auch in anderen Bereichen zur Anwendung kommt. Überall werden Ideen und Technologien gesampelt. Ohne Sampling hätten wir alle keine Smartphones.
Buzz: Wir haben anlässlich der Produktion auch mit Majolabels geredet. Hätten wir dort die Platte veröffentlicht, hätten viele Mitarbeiter über Monate die Rechte klären müssen. Das kam überhaupt nicht in Frage. Unsere Musik lebt von den Samples – ohne diese Zutat wäre sie tot. Die Kunst unserer Musik ist es, aus hunderten Samples und Schnipsel einen Track zu machen. Wir verfremden diese Samples, legen mehrere übereinander. So entsteht etwas Neues.
Die musikalische Bandbreite auf dem neuen Album ist enorm. Ist diese euren unterschiedlichen Interessen geschuldet?
Buzz: Ja, wir lieben einfach unterschiedliche Musik, sind diesbezüglich sehr breit aufgestellt. Wir sind auch alle DJs, kaufen verschiedene Platten, die von Soul, Jazz bis hin zu House und Techno reichen. Es geht uns bei unserer Musik um den Vibe: Auch wenn man viele Stile auf ein Album packt, muss sich das anhören, als wäre es aus einem Guss.
Ihr habt bereits Material für ein weiteres Album. Wann wird das veröffentlicht?
The Bionic Kid: "Part 2" kommt im Herbst. Zum Jubiläum, das wir 2018 feiern, wird es auch noch eine spezielle Produktion geben – entweder ein Remix-Album oder eines mit Vocals. Und auf Tour werden wir dann auch gehen. Für 2017 ist es noch zu früh.
Infos: "The Big Butter, Part 1" ist via Vinyl (2xLP), Tape oder Download erhältlich.
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