Gleich in der Einleitung kommen Frank und Berchtold auf die in der österreichischen Verfassung festgeschriebene „umfassende Landesverteidigung“ zu sprechen. Zu ihr gehören, wie es in B-VG 9a heißt, „die militärische, die geistige, die zivile und die wirtschaftliche Landesverteidigung“. Die Autoren machen indes klar, dass diese vier Aspekte nicht einfach nebeneinander stehen, sondern dass die Kategorie des Geistes „die anderen Bereiche […] mit umfasst und begründet“.
Was es aus Sicht der Autoren zu verteidigen gilt, ist „unser auf Freiheit gegründetes Gemeinwesen“. Eine dementsprechende Verteidigungsbereitschaft ist freilich – das wird hier dankenswerterweise unmissverständlich klar gemacht – nicht ohne Selbstvergewisserung zu haben. Weswegen die leitende Idee des vorliegenden Bandes eine „Bestandsaufnahme unserer kulturellen Identität, dessen, was wir sind, was wir zu verteidigen bereit sind“ darstellt.
Einer der Starautoren des Buches ist zweifellos der Philosoph Peter Sloterdijk, der sich über „Sicherheitskulturen im Großmachtschatten“ Gedanken macht. Er diagnostiziert einen „Trend zu privatistischen, konsumistischen und ästhetisch definierten Lebensformen“ ebenso wie eine wachsende „Irritabilität (Reizbarkeit; Anm.) in übermediatisierten Populationen“, wofür er insbesondere die sozialen Medien verantwortlich macht. Beide Phänomene sind zweifellos einer umfassenden Verteidigungsbereitschaft abträglich.
Aus europäischer Sicht sieht Sloterdijk zwei zentrale Herausforderungen: einen zunehmenden Migrationsdruck aus dem Nahen/Mittleren Osten sowie aus Afrika, der sich „auf die führende Weltwohlstandszone Europa ausrichten“ werde. Deren Bewältigung sei nur „als gesamteuropäische Gemeinschaftsaufgabe“ vorstellbar. Als zweite „Großsorgenquelle“ nennt der Philosoph die „Verlagerung des weltgeschichtlichen Fokus in die ostasiatische Hemisphäre“, wodurch Europa „weiter an politischem Momentum und makrosphärischer Gestaltungskraft verlieren“ werde. Gleichwohl würde Europa im Fall eines Konflikts zwischen den USA und China aufgrund seiner Verflechtungen mit beiden Seiten „zu einem Mitgeschädigten, ja einem Mitverlierer“.
Wenig optimistisch in diesem Fall die (jedem der Beiträge hinzugefügte) Musikempfehlung (eine wunderbare Idee übrigens!): Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“ (Quartett für das Ende der Zeit).
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