„Es geht um Menschen“: Dieser Slogan, den der bis 2017 als Direktor im Wiener Weltmuseum amtierende Steven Engelsman für das von ihm neu gestaltete Haus ausgab, muss 2024 nicht zwingend abmontiert werden.
Es geht zwar in der neuen Sonderschau des Museums vorrangig um Kamele – doch Ziel ist es, deren tiefe Vernetzung mit der Menschheitsgeschichte zu zeigen.
Tatsächlich sind die Verflechtungen der Menschheit mit den Kameliden so vielfältig, dass es das Weltmuseum beim Versuch, daraus eine schlüssige Ausstellungserzählung zu spinnen, ein wenig zerfranst: Gilt es einerseits, Objekte aus verschiedenen Sammlungsbereichen des Museums – und damit aus unterschiedlichen Weltgegenden – ins Licht zu rücken, zielt man andererseits darauf, den Gegenwartsbezug und den Wandel in der Kamelhaltung hervorzustreichen. Heute werden Kameliden nämlich zunehmend auch in Europa als Therapie- und Freizeittiere genutzt, die medizinische Forschung verspricht sich viel von ihnen.
Im arabischen Raum wurden Karawanen häufig von Jeeps abgelöst, das Kamel ist teilweise zum Luxustier bei Rennen und Schönheitswettbewerben geworden. Der Klimawandel stellt dazu traditionelle Zuchtmethoden, etwa in den Andenregionen, auf die Probe.
Das kindgerechte Kamel
All das und noch mehr will das Museum nun also niedrigschwellig so präsentieren, dass auch noch junge Besucherinnen und Besucher ihre Freude dran haben. Und tatsächlich ist der Tisch im ersten Raum, in dem man mit den Händen in Alpaka-, Trampeltier- und Dromedarwolle wühlen kann, eine ganz reizende Idee. Auch die niedrig gehängten Texttafeln, die die Neugier auf einzelne Erzählungen lenken, sind gut gelungen – und bieten Anhaltspunkte, die man auf der „Erwachsenenebene“ der Ausstellung leider oft vermisst.
Insgesamt mutet die Schau nämlich sehr gediegen und kulinarisch an, mit gedämpftem Licht, Vitrinen und Paravents – und vielen kleinteiligen Exponaten, die sich leider nicht von selbst erschließen. Wobei das kuratorische Team durchaus Objekte auswählte, die viel zu erzählen haben: Der Mantel aus dem Fell von Guanakos, einer Kamelidenart im Süden Südamerikas, erzählt etwa davon, wie Kolonisatoren durch gezielte Jagd die Lebensgrundlagen der indigenen Bevölkerung torpedierten (ähnlich wie bei den Bisons in Nordamerika).
Ein Tulu in Tulln
Das Skelett eines Tulus – ein besonders widerstandsfähiges „Hybridkamel“ – ist ein anderes beredtes Objekt: Es wurde in einem Keller bei Tulln gefunden und stammt wohl aus der Zeit der Türkenbelagerung um 1683.
Den Kontext muss man sich allerdings leider auch hier aus kleinen Beschriftungen erarbeiten. Und es gilt, in jedem Saal zwischen mehreren Kulturräumen (China! Anden! Arabien!) hin- und herzuschalten. Im letzten Abschnitt trifft dann ein zeitgenössisches Kunstwerk auf eine Kamel-Melkmaschine und ein medizinisches Erklärvideo. Das Motto „Es geht um Menschen“ (das Publikum nämlich) ist da nur mehr ein ferner Widerhall.
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