Kein Buddha auf dem Heldenplatz

Steven Engelsman ist bis Jahresende Direktor des Weltmuseum Wien.
Der Direktor des Weltmuseums über seine Visionen und die Schwierigkeiten bei deren Erfüllung.

Am 25. Oktober wird das Weltmuseum Wien in der Neuen Burg am Heldenplatz feierlich wiedereröffnet. Für Steven Engelsman ist damit die Aufgabe erfüllt: Der Niederländer, der heute, Samstag, 68 Jahre alt wird, trat 2011 an, um das einstige Museum für Völkerkunde, das zum Verband des Kunsthistorischen Museums (KHM) gehört, neu zu konzipieren. Mit Jahresende übersiedelt er zurück nach Leiden.

KURIER: Welche Träume und Visionen haben Sie für die Zukunft des Weltmuseums?

Steven Engelsman: Dass das Haus international auf allen inhaltlichen Gebieten aktiv ist. Dass es eine starke Kulturvermittlung und Arbeit mit den Communities hier in Wien gibt. Wir wollen ein inklusives Museum sein, es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass es das Bezirksmuseum für die Wiener mit Migrationshintergrund ist. Mexikaner, die hier leben, sollen sagen können: Kommt mit, wenn ihr etwas über unsere Geschichte wissen wollt, da haben wir das Weltmuseum. Es gilt, dafür zu sorgen, dass die Sammlungen so zugänglich gemacht werden, dass jeder sie sehen kann, auch im Internet. Bei europäischen Forschungsprojekten, bei großen Ausstellungen sollte das Museum mitspielen, in einer Rolle, die der Qualität des Hauses angemessen ist.

Ihre Visionen sind mit der Neueröffnung noch nicht erfüllt. Was ist noch nötig?

Kein Buddha auf dem Heldenplatz
Das Weltmuseum Wien am 04.10.2017. Das ethnologische Museum in der Wiener Hofburg, zuvor als Museum für Völkerkunde bekannt, wird nach einer Neugestaltung der Dauerausstellung und einer Generalsanierung der öffentlichen Bereiche am 25. Okt. 2017 wiedereröffnet.
Einen Kurator für Globalisierung werden wir noch brauchen – jemanden, dem es nicht so sehr um Sammlungen geht, sondern um Zeitfragen, und der in der Lage ist, Verbindungen zu Communities aufzubauen. Und aufgrund von Pensionierungen werden Nachbesetzungen der Kuratorenstellen nötig, denn ohne das Wissen über die Sammlungen wird jedes Museum im Laufe der Zeit ein totes Museum.

Wilfried Seipel, Generaldirektor bis Ende 2008, hat das ehemalige Völkerkundemuseum in den KHM-Konzern integriert. War das sinnvoll?

Ich kann die Umstände von damals nicht beurteilen. Aber ich denke, die sogenannten "Synergieeffekte" sind nicht ganz so groß, sie haben diesem Haus nicht so viel gebracht. Ich glaube übrigens nicht daran, dass große Organisationen im Kulturbetrieb etwas bringen – ich habe mehr Vertrauen in kleinere Einheiten.

Sie würden Ihrem Nachfolger raten, um die Eigenständigkeit des Weltmuseums zu kämpfen?

Ach, wissen Sie, die Sache ist gelaufen. Ich würde ihm raten, das Beste aus der Situation zu machen. Im Weißbuch von Kulturminister Thomas Drozda zur Reform der Museen steht, dass die Selbstständigkeit des Weltmuseums wieder thematisiert werden sollte. Ich habe nachgefragt, die Antwort war aber: Das ist im Moment nicht das Thema. Wenn es dort Thema wird, wird es sich lohnen, sich dafür einzusetzen. Davor hat es keinen Sinn.

Vor Ihrer Zeit wurde über eine Fusion mit dem Volkskundemuseum diskutiert. Hätte man da noch einen Anlauf wagen sollen?

Ich habe von Anfang an gesagt, dass wir mit unserem Konzept einer "Perlenkette von Geschichten" auch mit den Sammlungen des Volkskundemuseums weitere Geschichten hätten erzählen können. Es wäre eine Bereicherung gewesen. Nach der Redimensionierung wurde es freilich komplizierter. Da auch noch das Volkskundemuseum dazuzunehmen, wäre nicht gegangen.

Das Museum war 13 Jahre lang mehr oder weniger geschlossen. Das KHM hat trotzdem die normale Subvention für das Völkerkundemuseum bekommen. Was ist mit dem Geld passiert?

Es ist Sache von KHM-Geschäftsführer Paul Frey, das zu beantworten. Ich habe mit der Geschäftsführung vereinbart, dass das Haus gut leben kann, wenn meinem Nachfolger folgende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen: Die Basisabgeltung minus Servicepauschale für den KHM-Verband plus jene Einnahmen, die hier im Haus lukriert werden. Für Seipel hat es natürlich einen Grund gegeben, das Haus in den Verbund aufzunehmen – nämlich, dass ihm die Basisabgeltung nicht gereicht hat. Er hat nachgedacht, wie man zu mehr Geld kommen kann. Die Basisabgeltung wurde in 13 Jahren nicht substanziell erhöht, und das ist ein Riesenproblem für die österreichische Kulturwelt. Meiner Meinung nach ist es da schon weit nach 12 Uhr.

Als Allheilmittel wird immer empfohlen, Sponsoren zu finden. Welche Quellen haben Sie anzapfen können?

Wir haben eine Reihe von großen Sponsoren – Novomatic ist einer …

Der Konzern verdient sein Geld auch mit Spielsüchtigen …

Kein Buddha auf dem Heldenplatz
Weltmuseum Wiedereröffnung
(zögert) Wir haben das Geld gern genommen. Novomatic ist ein erfolgreiches österreichisches Unternehmen, und ich bin froh, dass wir von ihm Geld bekommen haben. Die Telekom Austria – mit Carlos Slim im Hintergrund – sponsert auch den Mexiko-Saal. Da ist im Vertrag vereinbart, dass Mexikaner ein Jahr lang freien Zugang haben.

Für jedes ethnografische Museum stellt sich die Frage nach dem Umgang mit dem Kolonialismus. Wie sehen Sie als Holländer Österreichs Situation?

Holland hat beim Kolonialismus mehr aufzuarbeiten als Österreich. Österreich war ein Zuschauer und Teilnehmer am Rande – beim Berliner Kongress von 1884/’85, auf dem Afrika verteilt wurde, hat etwa Österreich mit unterschrieben, dass der belgische König Leopold den Kongo bekommt. Österreich war also beteiligt, hat aber selbst in seinen kolonialen Ambitionen nicht viel Erfolg gehabt. Ich habe mich oft gefragt, warum nicht. Meine Antwort – die ich aber erst mit Experten besprechen müsste – wäre: Österreich hatte so viel damit zu tun, das ganze Reich hier zusammenzuhalten, dass es keine Energie und Möglichkeiten hatte, das auch noch woanders zu tun. In Holland war zu Hause eigentlich nichts los – deshalb konnte man in der weiten Welt herumreisen und Kolonien gründen. Holland hat eine furchtbare Kolonialgeschichte mit Indonesien, es werden immer wieder Kriegsverbrechen aufgedeckt. Eine ähnlich schwierige Vergangenheit hat Österreich mit dem Dritten Reich.

In der Kunstwelt ist Kolonialismus ein großes Thema, auch im neuen Weltmuseum sieht man viel Kunst. Hat bildende Kunst ein besseres Vokabular für diese Aufarbeitung?

Ich würde es nicht immer Kolonialismus nennen, aber die Ungleichheit im Umgang mit dem anderen, die Aneignung des anderen – das sind Themen, die von den Künstlern ziemlich rau und direkt gezeigt werden. In diesem Sinne ist es ein schnelleres Vokabular, es hat nicht diese wissenschaftliche Komplexität und Vorsicht.

Kein Buddha auf dem Heldenplatz
Wird am 25. Oktober eröffnet - und erhält mit 1. Jänner einen neuen Direktor: das Weltmuseum
Vor dem Weltmuseum steht nun ein Würfel. In Vorab-Visualisierungen hatte der Außenraum spektakulärer gewirkt.

Ja – da hätte der goldene Buddha sein sollen, den habe ich von Anfang an gewollt. Wir hatten ursprünglich den Plan, den Vorplatz mit einem Rasen auszustatten – das ist auch gestrichen worden, das Bundesdenkmalamt wollte so einen Eingriff auf dem Heldenplatz nicht. So ist es ein bisschen dünn geworden. Österreich kriegt das Museum in der Ausstattung, die es sich wünscht. Und es kriegt ein Haus der Geschichte, wie es sich das wünscht. Minister Drozda hat vor einem Jahr die Hoffnung geäußert, dass dort, wo jetzt die Behelfsbauten für das Parlament stehen, ein Haus der Geschichte gebaut wird. Das fände ich eine gute Idee. Man könnte auch ein neues Weltmuseum bauen … Aber die nächsten 30 Jahre ist es mit den Geldmitteln dafür wohl zu Ende. Jetzt werden wir zeigen, dass die Leute das Museum gerne haben und kommen wollen, weil hier viel los ist.

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