Warum Hollywood so gerne in Ungarn dreht

"Son of Saul".
Filme wie "Blade Runner 2049" und "Bad Spies" sind in Budapest entstanden. Auch das ungarische Autorenkino floriert.

Mit einer Leiche auf dem Schoß raste Schauspielerin Mila Kunis im Auto durch die Wiener Innenstadt. Wer bei der Verfolgungsjagd im Kinofilm „Bad Spies“ aber genauer hingesehen hat, dürfte festgestellt haben: Nicht alle Szenen wurden tatsächlich in Wien gedreht – sondern in Budapest. Die ungarische Hauptstadt hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wahren Mekka für internationale Filmproduzenten entwickelt. Hier werden große Sci-Fi-Filme genauso produziert wie Komödien oder Agententhrillern (siehe Infos unten). Und da Budapest wandlungsfähig ist, schlüpft die Stadt dabei regelmäßig in andere Rollen: Ein klein bisschen tricksen – und schon wird aus der ungarischen Hauptstadt je nach Bedarf Moskau, Berlin, Rom, Paris, New York, Buenos Aires oder gar Peking.

Seit etwa fünf Jahren bietet Balázs Basa mit seinem Team von Filmdestination Budapest Rundgänge an, in denen er cinephilen Touristen die „Hot Spots“ der Stadt zeigt – und mit Anekdoten aus dem Filmgeschäft unterhält. Mittlerweile gibt es auch eine eigene App, die man unter dem Namen „Filmdestination Budapest“ findet. „Eine Mischung aus Reiseführer und einer Zusammenstellung interessanter Kuriositäten“, meint Basa im KURIER-Gespräch.

Warum so viele Filme in Budapest gedreht werden? Dafür hat Basa mehrere Erklärungen: „Die ungarische Filmbranche hat einen sehr guten Ruf, sowohl in Europa als auch in den USA“, weiß Basa. Es gebe hier wertvolles Know-how. Die vielfältige Architektur helfe natürlich bei der Transformation in verschiedene andere Städte. Nicht zu unterschätzen sei auch die Rolle des Wetters – schließlich gebe es in Ungarn keine monatelangen Regenfälle, die eine Filmproduktion über einen längeren Zeitraum aufhalten würden. Und dann wäre da noch das liebe Geld.

Fördersystem wurde umgekrempelt

Für Filme, die in Ungarn gedreht und produziert werden, konnte bis vor wenigen Monaten ein Steuernachlass von 25 % der Gesamtkosten beantragt werden. Im Juni wurde auf 30 % erhöht. Das gilt für internationale wie für ungarische Projekte. „Für eine Filmproduktion bedeutet das natürlich eine große Erleichterung“, sagt Ágnes Havas dem KURIER. Sie ist Geschäftsführerin des ungarischen Filmfonds, der 2011 gegründet wurde.

Da wurde das staatliche Filmfördersystem umgekrempelt, das in den Jahren davor vor allem durch Korruptionsfälle und das Anhäufen von Schuldenbergen aufgefallen war. Andy Vajna, ein guter Freund von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, wurde zum Regierungsbeauftragten für die Filmindustrie ernannt.

Vajna war 1956 aus Ungarn nach Amerika geflüchtet und hat sich in Hollywood als Produzent von „Rambo“ und „Stirb langsam“ einen Namen gemacht. Mittlerweile ist er auch im Besitz mehrerer Casinos und Medienhäuser. Und Vajna sitzt neben Havas in der fünfköpfigen Kommission des Filmfonds, die etwa entscheidet, welche Kinoproduktionen gefördert werden. Seine Nähe zu Orbán sieht Havas nicht als Problem: „Wer mit wem befreundet ist, ist Privatsache. Die Politik hat jedenfalls keinen Einfluss auf unsere Entscheidungen.“

Erster Oscar seit 1982

Die vergangenen Jahre liefen auf jeden Fall nicht schlecht für das ungarische Autorenkino. Kornél Mundruczós „Underdog“ hat 2014 in Cannes den Hauptpreis in der Sektion „Un Certain Regard“ bekommen. Das Holocaust-Drama „Son of Saul“ wurde 2016 mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet – zum zweiten Mal nach István Szabós „Mephisto“ 1982 ging der Preis nach Ungarn. Und „Körper und Seele“ von Ildikó Enyedi erhielt 2017 den Goldenen Bären in Berlin.

Orbán investiert gerne in Kultur – er sieht sie als wichtigen Bestandteil der nationalen Identität. So werden aktuell beispielsweise mehrere Milliarden Forint in Umbauarbeiten der Staatsoper und anderer ungarischer Theater gesteckt. 

Als Vajna 2011 anfing, gab es teils laute Proteste aus der Branche. In einem offenen Brief sprachen sich Regisseure wie Béla Tarr („Satanstango“), aber auch die eben erwähnten Ildikó Enyedi und Kornél Mundruczó dagegen aus, dass Vajna quasi allein das Sagen über die Filmbranche haben sollte. Umstritten ist auch dass der Filmfond bei den von ihm geförderten Produktionen den „Final Cut“ übernehmen darf. Von diesem Recht habe man aber noch nie Gebrauch gemacht, meint Havas.

Tarr ist nach wie vor einer der stärksten Kritiker von Vajna. Der Erfolg bei den Oscars legitimiere die aktuelle Filmfördersituation nicht, sagt Tarr in Interviews. Die Erfindung von Rubiks Zauberwürfel habe ja auch das kommunistische System nicht legitimiert. Des Öfteren, beklagten Filmemacher in einem Artikel der Plattform 24.hu im Jahr 2015, würden jene Personen oder Firmen Förderungen bekommen, die in der Vergangenheit nicht durch ihre filmische Expertise, sondern durch Beziehungen zu den Entscheidungsträgern aufgefallen waren. Etwa Vajnas Ehefrau Timea. Dennoch, schreibt 24.hu, sei der Grundtenor bei vielen in der Branche: Besser Vajna, als es kommt jemand Schlimmeres nach.

Und was bringen nun die ausländischen Filmproduktionen? Arbeitsplätze, meint Havas. Und natürlich Werbung. Denn egal ob Will Smith, der im Sommer „Gemini Man“ gedreht hat, oder Arnold Schwarzenegger, der in Budapest gerade am neuen „Terminator“ arbeitet – wenn Schauspieler Fotos von sich in Ungarn in den sozialen Medien posten, sei das unbezahlbare Werbung.

Genauso wie der Auftritt von Kate McKinnon im US-Fernsehen. Mila Kunis’ Filmpartnerin hat sich beim Dreh zu „Bad Spies“ anscheinend so in Ungarn verliebt, dass sie die Sprache lernte – und in der „Tonight Show“ von Jimmy Fellon einen ungarischen Rap-Song zum Besten gab.

Welche Filme in Ungarn gedreht wurden

"Blade Runner 2049" (2017)

Die Fortsetzung des Sci-Fi-Klassikers wurde größtenteils in einem Studio in der Nähe von Budapest gedreht. Das dystopische Casino, das Ryan Gosling als Officer K in Las Vegas aufsucht, ist in Wahrheit das alte Börsengebäude am Budapester Szabadságtér. 

"Inferno" (2016)

Die Dan-Brown-Verfilmung mit Tom Hanks spielt hauptsächlich in Florenz und wurde auch zum Teil dort gedreht. Das Ethnografische Museum Budapest musste aber als Palazzo Vecchio herhalten.

"Der Marsianer" (2015)

Ein gläsernes Kongressgebäude an der Donau diente als NASA-Hauptquartier. Der moderne Palast der Künste (Müpa) wurde für den Film mit Matt Damon nach Peking "verlagert".

"Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben" (2013)

Budapest ist auch häufig Double für Moskau – wie in "Stirb langsam" mit Bruce Willis.

Außerdem wurden in der ungarischen Hauptstadt u. a. "Red Sparrow" (2018), "Atomic Blonde" (2017), "Spy – Susan Cooper Undercover" (2015), "Bel Ami" (2012), "München" (2005), "I Spy" (2002) und "Evita" (1996) gedreht sowie internationale Serien ("The Alienist", "Terror").

Kommentare