Voss: Weder Einzelkämpfer noch Papagei
Gert Voss ist hörbar bester Laune. Kein Wunder: Der große Schauspieler ist gefragter und erfolgreicher denn je.
KURIER: In "Maß für Maß" bei den Salzburger Festspielen wurden Sie von Publikum und Kritik gefeiert. Wie war die Produktion für Sie?
Gert Voss: Mir hat es wahnsinnig viel Spaß gemacht, besonders die Begegnung mit vielen jungen Schauspielern. Mich hat das an meine schönsten Momente in Bochum oder Stuttgart erinnert, als wir wirklich ein Ensemble waren. Das habe ich immer als schönsten Teil meines Berufes erlebt: Wenn es keine Einzelkämpfer gibt. Die sind alle so frech und mutig und direkt! Und Thomas Ostermeier ist für seine Jugend ein enorm sensibler und kluger, fast möchte ich sagen weiser Regisseur.
Das schöne an dieser Inszenierung: Sie verblödelt nichts, ist ganz ernsthaft.
Das fängt schon mit der Übersetzung an. Ich finde, Marius von Mayenburg hat die Poesie dieses Stückes erhalten, ebenso die Einfachheit und Direktheit der Sprache. Die meisten Übersetzungen, die ich kenne, waren sehr prätentiös und schwer verständlich. Diesmal habe ich all die vielen Gedanken verstanden. Ich empfinde dieses Stück als eine absolute Intelligenzhochleistung. Eigentlich müsste es jeder Politiker sehen.
Shakespeare zeigt die Menschen, wie sie sind: unlogisch.
Shakespeare ist vielleicht der einzige Autor, der die Menschen wie ein Rätsel beschreibt, für das man nicht den Code hat. Und plötzlich kommt der Mensch in eine ungewöhnliche Situation und es entstehen in ihm Dinge, die ihn selbst erstaunen.
Sie spielen besonders gern und erfolgreich Shakespeare.
Das ist ja auch kein Kunststück. Er ist ein unglaublich toller, realer Autor, der aber nicht an der Realität hängen bleibt, sondern der sie vergrößert und exemplarisch macht. Sodass man weise Dinge über den Menschen und über die Gesellschaft erfährt.
Haben Sie für Ihre Darstellung des Herzogs reale Politiker studiert?
Das Fernsehen bietet ja eine fast unerschöpfliche Fülle von Bildern von Politikern. Natürlich habe ich das alles gesehen, es passiert ja auf der Welt so viel an Heuchelei und Betrug und Lüge. Aber es wäre dumm, die Figur des Herzogs auf einen speziellen Politiker zu reduzieren, weil dieser Herzog von einer bestechenden Intelligenz ist. Er ist schwer zu erfassen. Seine Motive hängen damit zusammen, dass hier ein Mensch um sein Überleben kämpft. In dem Stück wird so viel darüber Auskunft gegeben, wie Politiker sich hinter bestimmten Tugenden verstecken, ihre Machtlust dahinter verbergen. Es beschäftigt sich so klug mit den Auswirkungen, die Macht auf Menschen hat.
Noch keine neuen Pläne für Wien
Sie spielen "Maß für Maß" als nächstes in Berlin. Wann kann man Sie wieder im Burgtheater sehen?
Man wird mich oft sehen, weil ich ja "Einfach kompliziert" und "Faust" weiterspiele. Was in Zukunft kommt, das weiß ich noch nicht.
Gibt es keine Pläne für neue Rollen in Wien?
Nein, noch nichts. Aber ich bin deshalb auch nicht ungeduldig oder traurig, weil mir dieses Geschenk, mit Peymann und Ostermeier in Berlin zu arbeiten, sehr gut getan hat. Ich bin dem Burgtheater ja fast 24 Jahre immer treu geblieben. Jetzt einmal neue Herausforderungen und Anregungen zu finden, das empfinde ich als wohltuend.
Heißt das, es zieht Sie derzeit nicht an Matthias Hartmanns Burgtheater?
Das kann ich jetzt nicht beantworten. Ich freue mich über meine Arbeit in Salzburg und Berlin, aber auch auf meine Vorstellungen in Wien. Mehr habe ich mir derzeit nicht überlegt, und das muss ich auch gar nicht.
Salzburg, "Jedermann" und Shakespeare
Sie bekamen das Große Verdienstzeichen des Landes Salzburg und die KURIER ROMY. Freuen Sie sich über Auszeichnungen?
Aber ja, das würde doch jeden Menschen freuen, oder? Ich war überrascht, denn ich war 13 Jahre nicht mehr in Salzburg. Ich habe zwei Jahre lang bei Peter Stein in "Julius Cäsar" gespielt, und dann kamen diese vier Jahre "Jedermann".
Hat sich Salzburg verändert in dieser Zeit?
Nein, es ist genauso geblieben, wie es war.
Ist das gut oder schlecht?
Wie soll ich das sagen? Es ist toll, dass dort in so kurzer Zeit so viele aufregende Sachen passieren. Obwohl ich leider nicht dazu gekommen bin, etwas zu sehen. Ich hätte gerne den "Faust" gesehen, den Schimmelpfennig und vor allem den Handke.
Und der neue "Jedermann" mit Nicholas Ofczarek? Die Bearbeitung ist sehr spannend.
Den neuen "Jedermann" habe ich im Fernsehen gesehen. Ich fand es interessant. Es ist ja wunderbar, dass sich immer wieder Leute daran entzünden und sich motivieren, das ganz toll zu finden. Ich habe mit dem Stück so meine Mühe. Zwischen "Jedermann" und Shakespeare sind schon große Klassenunterschiede.
Sie haben gerade Ihre Autobiografie "Ich bin kein Papagei" veröffentlicht.
Ich habe mich zu diesem Buch überreden lassen, aber es hat viel Spaß gemacht. Meine Frau Uschi hat mir Fragen gestellt - sie ist ja die ganze Wegstrecke meines Lebens mit mir gegangen. So entstand Schicht für Schicht dieses Buch. Der Titel drückt meine grundsätzliche Haltung aus. Manchmal haben mir Regisseure die Rolle vorgespielt, das mochte ich gar nicht. Ich will kein Erfüllungsgehilfe sein. Also habe ich gesagt: "Ich bin kein Papagei".
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