Familienaufstellung im Hause Nazi

APA14440554 - 03092013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT KI - (v.l.) Michael Mendl als "Rudolf Höller", Sona MacDonald als "Clara" und Nicole Heesters als "Vera" am Dienstag, 3. September 2013, während einer Fotoprobe des Stücks "Vor dem Ruhestand" von Thomas Bernhard im Theater in der Josefstadt. Premiere: 5. September 2013. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Thomas Bernhards „Vor dem Ruhestand“ eröffnete die Saison im Theater in der Josefstadt.

In der Pause war von manchem in Ehren ergrauten Thomasbernhardianer (oder sagt man Bernhardiner?) harte Kritik zu hören: Wenn man Bernhards ebenso aber- wie -witzige Wort-Eruptionen nicht als schneidend scharfe, hoch artifizielle Sprach-Symphonie auf die Bühne bringt, sondern in den Alltagstonfall einer Familienplauderei holt, dann verlieren sie an Wirkung, dann werden sie klein.

Da ist etwas dran. Klar, die virtuose Musikalität, die Grandezza, die empörende Boshaftigkeit der Sätze, die Bernhard seinem Personal in den Mund legt, die geht in Elmar Goerdens Inszenierung von „Vor dem Ruhestand“ verloren. Einerseits.

Andererseits: Indem Goerden Bernhards Text in den Alltagstonfall holt, werden die Figuren zu Menschen. Plötzlich merkt man: Solche kennen wir. Solche, die gemütlich daherreden, und man muss zwei Mal hinhören, ehe man bemerkt: Die sagen furchtbare Dinge.

Szenenfotos: "Vor dem Ruhestand"

Familienaufstellung im Hause Nazi

FOTOPROBE: "VOR DEM RUHESTAND" IM THEATER IN DER J
Familienaufstellung im Hause Nazi

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Studie

In der 1979 uraufgeführten „Komödie von deutscher Seele“ – Inspiration war die Affäre um den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger bzw. um dessen Vergangenheit als Nazi-Richter – zeigt Bernhard beklemmend virtuos die Mechanismen des Nationalsozialismus und dessen Verdrängung auf.

Und zwar macht er das anhand einer Familienaufstellung: Da ist Rudolf Höller, ein angesehener Richter, der im Dritten Reich stellvertretender KZ-Kommandant war und jedes Jahr zu Himmlers Geburtstag in Nazi-Nostalgie schwelgt; da ist Vera, seine ihm inzestuös verbundene Schwester, die versucht, ein nicht existentes Familienidyll herbei zu schwafeln; da ist Clara, die im Rollstuhl sitzende Schwester, die ihre Geschwister hasst und gleichzeitig darauf hofft, von ihnen nicht in ein Heim abgeschoben zu werden.

Gemeinsam exerzieren diese drei alle möglichen Varianten der Opfer-Täter-Beziehung durch. Zum Exzess kommt es immer zu Himmlers Geburtstag, wenn der betrunkene Höller beide Schwester missbraucht: Zuerst Clara, die eine KZ-Uniform anziehen muss, danach Vera, die er mit ins Bett nimmt. Vorher findet er noch Anregung beim Betrachten alter Fotos von Juden-Erschießungen.

Michael Mendl interpretiert den Rudolf als armes Würschtl, das seine Wirkung daraus bezieht, dass es einmal ein Täter war. Nicole Heesters ist sehr stark als Vera, das alt gewordene BDM-Mädel. Sona MacDonald ist als Clara sensationell: Verzweifelt kämpft sie um einen letzten Rest ihrer Würde.

Elmar Goerdens Inszenierung zeigt, was auch Bernhards Intention war: Das Böse ist keine strahlende Ausnahmeerscheinung, das Böse ist bieder, nostalgieselig und hat Hämorrhoiden. Störend wirken Tempobremser, auch aufgrund von Textschwächen, und unpassende Einsätze von Musik und Geräuschen.

Vom Premieren-Publikum gab es viel Applaus.

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