Von Mimosen am Set
Nach seinem letzten großen Kinoerfolg „Das Schmuckstück“ über eine gelangweilte Unternehmersgattin, die sich als besserer Chef als ihr Mann entpuppt, erzählt François Ozon nun eine Lehrer-Schüler-Geschichte. „In ihrem Haus“ ist ein Grenzgang zwischen Realität und Fiktion, bei dem sich ein desillusionierter Französischprofessor immer tiefer in die literarischen Fantasien eines 16-Jährigen hineinziehen lässt. Ozon gewann damit beim Filmfestival in San Sebastian den Hauptpreis. Bei uns läuft er am Freitag an.
KURIER: Monsieur Ozon, Ihre Mutter war auch Lehrerin. Hat sie Sie zu dieser Geschichte inspiriert?
François Ozon: Nein, zum Glück hatte ich keinen Unterricht bei meiner Mutter. Aber es hat mir natürlich sehr geholfen beim Kreieren der Lehrerfigur im Film.
Waren Sie ein guter Schüler?
Nein, ich war schlecht. Ich war nicht der Idiot von der letzten Bank, aber viel gelernt habe ich nicht.
Das heißt, es gab in Ihrer Schulzeit auch keinen inspirierenden Lehrer wie Germain?
Leider nicht. Aber als ich dann mein Filmstudium anfing, hatte ich plötzlich gute Noten, was sehr merkwürdig für mich war. Da hatte ich Menschen vor mir, die ganz wichtig für mich waren. Etwa mein Lehrer Eric Rohmer: Er hat für mich die Aura des Kinos demystifiziert und mir das Gefühl gegeben, dass diese so fantastische und ferne Welt auch für mich zugänglich ist.
Eines Ihrer Lieblingsthemen, das in fast allen Filmen wiederkehrt, ist die dysfunktionale Familie. Haben Sie da als bekennender Homosexueller einen besonders kritischen Blick?
Kann sein. Mich interessiert eben nicht die klassische heterosexuelle Familie. Im Übrigen bin ich zutiefst schockiert darüber, wie aggressiv gerade das Thema Homo-Ehe in Frankreich diskutiert wird. Das sind Töne aus konservativen Kreisen, die mir Angst machen, weil Sachen hochkommen, die wir eigentlich überwunden glaubten. Wenn an einem Wochenende 100.000 Menschen gegen die Homo-Ehe demonstrieren, ist das für mich niederschmetternd.
Mit Fabrice Luchini, der hier den Lehrer Germain spielt, haben Sie schon öfter zusammengearbeitet, ebenso mit Gérard Depardieu. Beide sind nicht nur Träumer, sondern auch schwierige Menschen, oder?
Das kann man so sagen. Gérard ist eine Mischung aus Genie und Monster, Fabrice sehr chaotisch. Zweifellos kann ich sagen, dass Männer ungleich größere Mimosen am Set sind als Frauen. Es klappt eigentlich nur, mit ihnen zu arbeiten, wenn sie sich in totaler Sicherheit fühlen und Vertrauen haben. Das versuche ich ihnen zu geben. Bis jetzt hat es gut geklappt.
Einige Sequenzen von „In Ihrem Haus“ erinnern an Hitchcock, etwa an dessen „Fenster zum Hof“. War das Absicht?
Schon. Hitchcock ist eine Referenz für jeden jungen Regisseur, den ich kenne. Er hat so viele Dinge theoretisiert, die heute überall Anwendung finden. Etwa den Suspense. Oder der Kunstgriff, dass man dem Zuseher Informationen gibt, die die Figuren im Film nicht haben.
Kristin Scott-Thomas haben Sie einen britischen Akzent verpasst, obwohl Sie ja perfekt Französisch spricht. Warum?
Weil die Franzosen das lieben. Sie waren ja auch ganz hingerissen vom weichen Wiener Akzent der wunderbaren Romy Schneider.
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