Von Hitler vertrieben, durch Briefe vereint

Seltenes gemeinsames Familienfoto: Susi, Mutter Irma, Friedl, Gerda, Ernst und Ilse Benedikt, 1927 (v.li.)
Die Briefe einer jüdischen Wiener Familie, die 1938 in alle Himmelsrichtungen verstreut wurde, waren nun Grundlage eines berührenden Buches.

Am Himmel 55 zogen oft Gewitterwolken auf. Wenn es schwierig wurde mit den Geschwistern oder der strengen Mama, dann legte sich die Jüngste zum Hund unter den Fliederstrauch.

Und es wurde oft schwierig in dieser Familie, die nach außen hin so geschleckt wirkte. Man residierte an feiner Adresse in der Grinzinger Himmelstraße, hatte ein halbes Dutzend Hausangestellte, Vater Ernst Benedikt war einer der angesehendsten Journalisten der Republik. Doch das großbürgerliche Idyll täuschte. Entweder rauften die Töchter oder die Eltern miteinander, nicht selten alle gleichzeitig. Der Vater war gestresst, die Mutter notorisch mit Sparen beschäftigt. Erster Klasse Zug fahren? Nur für Erwachsene. Die Kinder fuhren dritte Klasse, aus Prinzip.

Zwischen den Schwestern gab’s täglich Zornausbrüche. Erst in den Briefen, die sie einander schickten, als die Familie von den Nazis auseinandergerissen wurde, wuchsen sie zusammen. „Ohne Hitler und die Vertreibung aus Wien wäre die Familie wohl explodiert“, wird die Jüngste später schreiben. Und doch, liest man in einem Brief ihrer Schwester Friedl an die Eltern, die „geliebten alten Schweinchen“, war’s „eine Kindheit voller Glück und Verrücktheiten“.

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