Von der Säure zur Software: Wie Untertitel in den Film kommen
„Mit schlechten Untertiteln kann man einen guten Film ruinieren“, sagt Mandana Taban. „Aber mit guten Untertiteln kann man dazu beitragen, dass ein Film erfolgreich ist.“
Seit bald 15 Jahren ist sie als selbstständige Untertitlerin in Wien tätig. Hauptsächlich übersetzt sie österreichische Filme, die im Ausland anlaufen oder bei Festivals eingereicht werden.
Darunter jüngst Jessica Hausners Thriller „Little Joe“, der bei den Filmfestspielen in Cannes zu sehen war. Auch heimische Filme wie „Love Machine“ mit Thomas Stipsits oder Marie Kreutzers „Der Boden unter den Füßen“ hat Taban mit den passenden Untertiteln versehen. „Wenn ich dann höre, dass ein Film bei einem Festival im Ausland gut angekommen ist, freut mich das natürlich.“
Normalerweise gilt Geheimhaltung
Taban ist gebürtige Iranerin, kam mit 12 Jahren nach Österreich und absolvierte in Wien ein Übersetzerstudium mit den Sprachen Englisch und Spanisch. Ihre Dissertation hat sie zur Sichtbarkeit von Untertitlern in der österreichischen Filmbranche geschrieben und selbst jahrelang eine Lehrveranstaltung zum Untertiteln geleitet.
Als der KURIER sie in ihrem Büro im 18. Wiener Gemeindebezirk besucht, arbeitet Taban gerade an einer Dokumentation über Roboter – ein sechssprachiges Projekt von Geyrhalter Film, das Taban gemeinsam mit Kollegen untertitelt. Dass sie Ausschnitte zeigen darf, hat sie vorab mit der Produktionsfirma abgeklärt: Normalerweise darf sie erst über ein Projekt sprechen, wenn es veröffentlicht wurde.
"Darf nicht telegrammartig werden"
„Man muss teilweise den Dialog kürzen, weil man nicht so schnell lesen kann wie gesprochen wird“, erklärt Taban. „Es darf aber auch nicht telegrammartig werden.“ Rund eine Arbeitswoche benötigt sie für einen Film – je nach Dringlichkeit. Die Untertitel schreibt sie direkt ins Video. Ein schwarzer Balken über dem Film den vorhergehenden Text, ein Balken am unteren Bildrand, welcher Untertitel danach kommt (siehe Foto unten).
Wichtig ist vor allem das richtige „Spotting“ – also das Festlegen, wann ein Untertitel ein- und wieder ausgeblendet wird. Kommt die Pointe bei einer Komödie etwa nicht an der richtigen Stelle, lacht nur der halbe Kinosaal.
Wann untertitelt und wann synchronisiert wird
Ob ein Film im Kino mit Untertiteln oder Synchronisation zu sehen ist, hängt vom Verleih ab. „Im Normalfall wird die Entscheidung in Koordination von drei Verleihern aus Österreich, Deutschland und der Schweiz getroffen“, erklärt Michaela Englert. Sie arbeitet beim österreichischen Filmverleih Thimfilm und ist Betreiberin des Wiener Admiralkinos.
Österreich zieht in der Regel mit Deutschland mit – und dort wird etwa im Gegensatz zu skandinavischen Ländern meist synchronisiert. Ausschlaggebend ist aber auch das Genre: „Je mehr ein Film Richtung Arthouse tendiert, desto eher geht man davon aus, dass das Publikum gerne das Original hören möchte.“
Eine ganz andere Variante ist übrigens in Russland bekannt: Dort wird über den Originalton gesprochen. Einen Eindruck davon, wie das klingt, können Sie sich im folgenden Video verschaffen.
Wie Untertitel gemacht wurden, als es noch Filmkopien gab
Nicht immer war das Untertiteln einfach vom Computer aus zu machen. Das weiß auch Franz Schwartz. Fast 30 Jahre hat er das Wiener Stadtkino geleitet, 2017 nach dem plötzlichen Tod von Hans Hurch interimistisch die Viennale übernommen. „Ich hatte mich immer darüber geärgert, dass es keine Firma gab, die die Untertitel in der Qualität machte, in der ich sie haben wollte“, berichtet Schwartz.
Also nahm er die Sache selbst in die Hand – und gründete gemeinsam mit zwei anderen (Andreas Wirth-Purtscheller und Michel Kaganski) 1992 die Untertitelungsfirma Titra Wien. Der Text wurde damals noch mittels Laser auf die physischen Filmkopien gebracht. Bevor sich dieses Verfahren in den 90ern durchsetzte, erzählt Schwartz, war das Untertiteln noch komplizierter: Da benötigte man Wachs und Ätzbäder.
"Die Beschichtung wurde zerstört"
„Ursprünglich wurde für die Untertitelung die Filmkopie auf der beschichteten Seite mit Wachs bestrichen“, erklärt Schwartz. „Dann wurden in dieses Wachs Klischees mit dem Untertiteltext gedrückt – so wie man es vom Buchdruck kennt.“ Die Lettern verdrängten so die Wachsschicht. „Anschließend wurde der Film durch ein Ätzbad gezogen. Dort, wo keine Wachsschicht mehr war, wurde die Beschichtung zerstört – an diesen Stellen fiel dann bei der Vorführung das Licht des Projektors ungehindert, also weiß, auf die Leinwand.“ Das Ergebnis: Weiße Untertitel waren zu sehen.
Der Erfinder der chemischen Untertitelung, erzählt Schwartz, war übrigens der Großonkel des oben erwähnten Titra-Mitgründers Michel Kaganski.
Es waren mühsame Verfahren, auch, weil im Nachhinein keine Fehler mehr ausgebessert werden konnten. Mit welchen Gerätschaften man früher hantieren musste, können Sie in dem englischen Beitrag unten sehen – leider ohne Untertitel.
Rund 250 verschiedene Filme, manche davon mit bis zu 20 Kopien, hat die Titra Wien pro Jahr mit Untertiteln versehen. Mit der Digitalisierung fielen die Filmkopien weg, 2012 hat die Titra das Untertiteln im Laserverfahren eingestellt. Die Aufträge sind seitdem zurückgegangen: Mittlerweile sind es nur mehr rund 40 Filme pro Jahr.
Streaming und die Freude am Originalton
Verändert haben sich im Lauf der Zeit auch die Sehgewohnheiten, nicht zuletzt durchs Streaming. „Ich glaube, dass das dazu geführt hat, dass man im Synchronisationsland Österreich nun auch Spaß an Originalfassungen mit oder ohne Untertitelung hat“, meint Taban.
„Wir sind gerade in einer sehr spannenden Zeit und es tut sich einiges – für uns Untertitler ist es, glaube ich, erst der Anfang.“
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