Volle Konzertsäle? Kontroverse um Empfehlungen von Berliner Wissenschaftern

Volle Konzertsäle? Kontroverse um Empfehlungen von Berliner Wissenschaftern
Ein Schreiben, das Bedingungen für Vollbetrieb nennt, sei nur "Diskussionsgrundlage", betont der Charité-Vorstand.

An der Frage, wann Theater und Konzertsäle wieder voll belegt werden dürfen, hängen zahllose programmatische und politische Entscheidungen im Kulturbetrieb. Ein Empfehlungspapier, das die Institute für Epidemiologie sowie Hygiene- und Umweltmedizin am Montag veröffentlichten, wagte sich diesbezüglich relativ weit heraus: Unter Einhaltung bestimmter Vorgaben - dazu gehören das durchgehende Tragen eines Mund-Nasenschutzes in gemeinschaftlich genutzten Räumen, die Sperre von Buffets und die Gewährleistung der Nachverfolgbarkeit einzelner Ticketinhaber - sei auch ein Vollbetrieb von Klassik-Veranstaltungen unter gegenwärtigen Pandemiebedingungen möglich, heißt es darin.

Das Papier geht dabei von der Situation in Deutschland aus und bezieht sich explizit auf Konzert- und Opernhäuser: "Das Publikum von Klassikveranstaltungen zeichnet sich durch ein aufgeklärtes Verständnis der gesundheitlichen Zusammenhänge, eine disziplinierte Verhaltensweise sowie die sorgfältige Einhaltung von Vorgaben aus", heißt es in dem Schreiben.

 

"Nicht abgestimmt"

Der Vorstand des Universitätskliniken-Verbunds, an dem auch der prominente Virologe Christian Drosten arbeitet, distanzierte sich allerdings via Twitter von dem relativ freizügig gehaltenen Empfehlungskatalog. Bei diesem handle es sich um "ein nicht abgestimmtes Papier", es gebe nicht den Standpunkt des Vorstandes wieder, hieß es. "Der Entwurf berücksichtigt nicht die aktuelle Dynamik des Infektionsgeschehens und der damit verbundenen Risiken. Das Papier ist daher nicht als Handlungsvorschlag, sondern als Grundlage einer weiteren kritischen Diskussion im Rahmen der Berliner Teststrategie zu betrachten", heißt es in der Stellungnahme.

Stefan Willich, einer der Autoren des Papiers, bekräftigte gegenüber der ARD jedoch, dass gegenwärtige Entwicklungen (in Deutschland) durchaus in die Empfehlungen eingeschlossen wurden. Allerdings findet sich der Vermerk, dass weitere epidemiologische Entwicklungen und Forschungsergebnisse zu berücksichtigen seien, auch auf dem Schreiben selbst. "Wir sind auch nicht blauäugig und glauben auch nicht, dass das von heute auf morgen umgesetzt werden sollte", sagte Willich im ARD-Gespräch. "Wir denken aber, dass das in einem überschaubaren Zeitraum das Ziel sein sollte."

Deutschlands Kulturministerin Monika Grütters bezeichnete das Papier ihrerseits als "wichtige Stellungnahme in der Debatte". Bei der Rückkehr zum Bühnenbetrieb seien Abstandsregeln ein großer Hemmschuh, „weil sich das wirtschaftlich sonst nicht darstellen lässt“, sagte die CDU-Politikerin dem Sender rbb. Es müsse deshalb pragmatisch versucht werden, Öffnungsszenarien bezogen auf die unterschiedlichen Räumlichkeiten zu entwickeln. Das könnten Politiker jedoch nur, wenn die Wissenschaft ihnen dazu Beiträge liefere.

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