Denn die Autorin Julia Jost vermanschte mit großer Geste die Römerdramen von William Shakespeare. Ihre Tätigkeit in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Luk Perceval beschrieb sie 2023 geradezu decouvrierend: „Wir schneiden Passagen aus und setzen sie an eine andere Stelle, ich verwende zusätzlich Zeilen u. a. von Elias Canetti, Ingeborg Bachmann, Herta Müller, Plutarch, Lenin, Hannah Arendt und Thomas Hobbes und verschneide diese mit dem Shakespeare-Text. Parallel werden diese gesampelten Ausschnitte überschrieben, soll heißen, ich passe diese Gedanken mit meinen eigenen Worten an den Gesamttext an, füge hinzu, nehme weg ...“
Mäuschen, monumental
Auch Gedanken oder Zitate von Heiner Müller, David Bowie, Sigmund Freud, Victor Hugo, George Lukács, Karl Marx, Wilhelm Reich, Slavoj Žižek, Christine Lavant seien eingeflossen. Herausgekommen ist bei dem „monumentalen Shakespeare-Unterfangen“ nach einem langen Kreißen „Rom. Titus Coriolanus Caesar Antonius & Kleopatra“. Das klang zunächst nach einem Theaterereignis wie 1999, als „Schlachten!“ – von Tom Lanoye und Luk Perceval aus acht Königsdramen Shakespeares kompiliert – bei den Salzburger Festspielen herauskam. Das Volkstheater setzte denn auch die Beginnzeit mit 18 Uhr an. Doch geboren wurde ein bloß zweieinhalbstündiges Mäuschen (inklusive Pause).
Natürlich lassen sich die Geschichten der Herrscher – „Coriolanus“ spielt im 5. Jh. vor, „Titus Andronicus“ im 4. Jh. nach Christus – nicht so leicht verbinden wie die Rosenkriege. Jost und Perceval legen daher nur Strukturen offen, die Namen der Machthaber wie der Frauen sind ohnedies austauschbar: Es wird zwischen Titus und Coriolan geswitcht, zwischen Virgilia und Calpurnia. Und das Volk schaut dämlich.
Es wird nicht gespielt, bloß deklamiert, die Drehbühne mit einer wuchtigen Mauer aus weißen Steinquadern (von Philip Bußmann) kreist immerfort, Lila-Zoé Krauß untermalt live mit Loops und Siouxsie-Sioux-Klagegeschrei. Der Coriolan des Andreas Beck würde am liebsten alle „an die Wand stellen“, selbst die Brutus der Lavinia Nowak „checkt’s“ zwischendurch nicht.
Die Liebe zwischen Kleopatra und Antonius hat Perceval dann doch etwas mehr interessiert. Julia Riedler und Frank Genser dürfen im Wasser (es dringt in Rinnsalen aus der Wand) planschen und einen artistischen Stellungs-Machtkampf austragen. Er endet nach viel Hecheln mit Befriedung. Kleopatra verlangt den Einbau neuer Duschköpfe, Antonius schlägt vor, den Gasherd für etwas Sinnvolleres zu verwenden. Und zum Schluss knarrt es beträchtlich im Aluminium-Gerüst. Materialmüdigkeit wohl.
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