Ihr Vorgänger hat auch verstärkt begonnen, Konzerte zu spielen – wohl im Bewusstsein, dass das Volksopernorchester in der Stadt unter Wert geschlagen wird, weil so viel hervorragende Musik stattfindet, oder?
Viele Leute wissen nicht, was für ein gutes Orchester es ist. Wir haben viele Weltklasseorchester in Wien, das Volksopern-Orchester ist auch eines.
Was vielleicht schwerer festzumachen ist – eben weil man so viele verschiedene Genres spielt und in allem von Oper über Operette bis klassischen Musical zu Hause sein muss. Da widerspricht die Breite der Spitze, müsste man sich vielleicht auf weniger konzentrieren?
Das ist eine gute Frage. Ich weiß es nicht. Die schwierigste Sache für uns hier als Musiker ist, in allen verschiedenen Genre jenes Niveau zu erreichen, das man braucht. Es ist möglich, aber man muss wirklich sehr schwer arbeiten. Und das Orchester will arbeiten, auch wenn es eine Minute vor Probenschluss ist. Das ist fantastisch.
Apropos Probenzeiten: Ein Repertoirehaus wie die Volksoper ist komplexer als andere Musiktheaterbetriebe. Wie geht es Ihnen damit?
Ich verstehe bis jetzt die Probenpläne nicht, meine Assistentin sagt mir immer, wann ich wo sein soll (lacht). Es ist kompliziert, aber wir sind so ein gutes Team hier. Das ist vielleicht kitschig zu sagen, aber wir sind wie eine Familie. Auch wenn wir Fehler machen, halten wir zusammen. Dieses Vertrauen bedeutet mir sehr viel – und ermöglicht, dass wir immer besser werden. Und es ist jeden Tag total crazy (lacht).
Im letzten Vierteljahrhundert hatte es die Volksoper schwer, sich zu positionieren. Ist sie jetzt dort, wo sie sein sollte?
Ich kann nicht für die Vergangenheit sprechen. Aber ich weiß, dass Direktorin Lotte de Beer die Volksoper mit so viel Liebe führt und wirklich was bewegen will. Wir haben das gleiche Sehnen. Das Publikum hat so eine Liebe zu dem Haus und seiner Tradition. Und es ist auch sehr, sehr offen und bereit für neue Ideen. Wir nehmen die Tradition mit und das Publikum kommt mit uns mit auf diese Reise.
Aber neues Publikum zu finden, ist schwer, oder?
Ja, es ist schwer. Aber die Zahlen sind vielversprechend. Wir haben junges Publikum gewonnen – und das bestehende erhalten. Spannend ist, dass die ganz Jungen auch zur Oper kommen, nicht nur zum Musical. Die „Lustige Witwe“ wird nicht ganz traditionell, aber so respektvoll, dass das Publikum sie gerne sehen wird.
Operette ist das Genre, das alle wichtig und zeitgemäß finden, das aber trotzdem nicht ganz in die Zeit passen will.
Für mich ist die Operette eine neue Entdeckung – und ich bin begeistert! Ich finde es so interessant, was alles in dieser Wiener Tradition möglich ist an Witz und Ernsthaftigkeit. Die Welt ist so schwarz derzeit, ein bisschen Lustigkeit ist wichtig. Operette kann sehr relevant sein, aber man muss daran arbeiten. „Die Lustige Witwe“ ist meine erste große Wienerische Operette. Sie ist musikalisch perfekt, und die Geschichte ist bewegend, emotionell – und auch sehr, sehr lustig.
Auch heute noch?
Der „Zigeunerbaron“ ist schwierig zu spielen – nicht die Musik, die ist zeitlos, aber das Stück ist schwer zu inszenieren. Die „Lustige Witwe“ ist hingegen zeitlos, und das Spiel mit dem Geld und der Liebe wird immer zeitlos sein. So, wie die „Fledermaus“.
Apropos Wiener Tradition: Hier geht es der klassischen, der Orchestermusik ja noch gut. Das ist anderswo längst nicht mehr so.
Es ist fürchterlich! In England ist es fast vorbei mit der Kunst. Die Politik hat sie kaputtgespart. Ich habe keine Hoffnung für die Zukunft in England. Und auch in Frankreich ist es schwierig. Überall fehlt Geld, die Leute kommen nicht mehr. Ich finde das so traurig.
Das wird auch Wien irgendwann spüren.
Wien ist die einzige Stadt, in der Kunst im Zentrum steht. Ich hoffe, dass auch anderswo wieder Neues entsteht, ein neuer Anfang. Das, was wir machen, ist wichtig und bewegt die Menschen. Diese Musik hat Power! Wir müssen vor allem die Kinder dafür gewinnen, sich das anzuhören. Dann gibt es eine Zukunft.
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