Das Leichteste ist immer das Schwierigste, und ja, das macht Sinn – und zwar bei der Operette. Deren Wichtigkeit wird in Permanenz beschworen, man reminisziert nostalgisch über ihre Genialität in Witz und Weltabgewandtheit und der Musik. Bei Tageslicht betrachtet, ist sie jedoch unverkennbar rasanter gealtert als andere Musiktheatergenres – und bleibt heute oft Behauptung, die an übergroßen Vorbildern aus der Vergangenheit zu ihren Ungunsten gemessen wird.
Warum das schade ist, zeigt nun die Volksoper mit Franz Lehárs „Die lustige Witwe“: Für sich genommen, ist die neue Produktion, die am Samstag zur Premiere kam, unterhaltsames, durchgängig gut gesungenes und witziges Entertainment; aber es liegt nun mal im Wiener Blut, bei der eigenen Operettentradition gerade dann kritisch zu sein.
Generation Erbin
Der Abend lebt von einer schlüssigen Idee: dass nämlich Hanna Glawari, die titelgebende Millionenerbin, und ihr Graf Danilo in jenem Alter sind, in dem man vielleicht noch US-Präsident wird, aber es sonst in Liebesdingen eher schon gemütlich angeht. Die Generation Erbin ist hier selbst im Boomer-Alter und holt eine verflossene Jugendliebe nach, und die 38-jährige Anett Fritsch spielt das gemeinsam mit Daniel Schmutzhard mit weltweisem Witz und Esprit.
Rundherum baut die französische Regisseurin Mariame Clément bei ihrer ersten „Witwe“ viel formgerechte Wort- und Situationskomik. Der Schnaps aus Pontevedra brennt Löcher in den Teppich. Ein Lampenschirm wird zur hilfreichen Tarnung für die beim Liebesspiel mit Camille (Aaron Casey Gould) ertappte Valencienne (Hedwig Ritter). Und Jakob Semotan (der die Spielfassung erstellte) als Kanzlist Njegus spielt kunstvoll mit dem Wiener Hätti-Wäri-Konjunktiv.
Schwere, bühnenhohe Vorhänge laden die pontevedrinische Botschaft mit 50er-Jahre-Charme auf; elegant dreht sie intime Momente und Szenen mit viel Personal in den Vordergrund.
Man kann die vage nach Osteuropa gerichteten Kleidungs- und Akzentschmähs getrost unter Klischeeverdacht stellen – was bei der Operette aber kein Hinderungsgrund ist. Wie sagt die wunderbare Brigitte Kren als Militärattaché-Gemahlin doch einmal – „Man kann auch in einer alten Kirche eine schöne Messe feiern“.
Und das ist auch gleich die große musikalische Frage des Abends: Wie alt muss die Kirche dabei klingen? Für Musikdirektor Ben Glassberg ist die Operette eine Neuentdeckung, sie klingt bei ihm transparent und hat Raum für präsente Melodien. Ein weiteres Klischee aber sucht man vergeblich, das der verschliffenen, schlampigen Walzerseligkeit, mit der man sich in der Stadt so stolz brüstet. Hier klingt Operette so, wie Musicals gern klingen würden – daran werden sich die wachen Ohren scheiden.
Wer für einen unterhaltsamen Abend kommt, wird aber sehr gut bedient.
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