Virginia Ernst: "Wir sind starke Frauen und alle gemeinsam können wir alles"
KURIER: Sie haben 2018 das erste Mal das Konzert „#WeAre – Starke Stimmen, Starke Frauen“ auf die Beine gestellt. Wie kam es dazu?
Virginia Ernst: Ich komme aus dem Sport, habe 13 Jahre lang professionell Eishockey gespielt, und da gab es keine Gleichberechtigung. Die Männer haben immer mehr Unterstützung bekommen - finanziell, von der Ausrüstung und auch von der Aufmerksamkeit her. Wir Frauen durften das nur hobbymäßig machen. Dann kam ich in die Musik und habe gedacht, da wird das vielleicht leichter. Aber auch da steht die Frau wie in jedem anderen Beruf unter dem Mann. Deshalb wollte ich etwas tun, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass es noch keine Gleichberechtigung gibt. Die Idee war, ein reines Frauen-Konzert mit Künstlerinnen aus Österreich auf die Beine zu stellen, die noch nicht so bekannt sind, sodass die Öffentlichkeit merkt: Wir haben viele tolle Künstlerinnen in unserem Land.
In welchen Bereichen in der Musik-Szene gibt es am meisten Aufholbedarf?
Ich merke die Ungleichheit zum Beispiel bei Festivals, bei den Headlinern: Da sind fünf Männer und vielleicht ganz unten eine Frau dabei. Und ich merke es an den Austro-Charts. Als ich mir diese letztens wieder angeschaut habe, waren zehn Österreicher drinnen, aber nur eine Österreicherin. Wir hätten aber hundert andere Künstlerinnen, die fantastisch und genauso gut, oder vielleicht sogar manchmal besser sind, als die männlichen Kollegen. Und zwar quer durch alle Genres - egal ob Jazz, Austro-Pop, Poetry Slam oder Mainstream.
Dann ist das Hauptproblem die Aufmerksamkeit der Veranstalter und Radiostationen und nicht geringere Gagen?
Natürlich sind die Gagen auch ein Problem. Es gab einen Bericht über die Einkommensverluste der Musikerinnen in der Corona-Zeit. Da kam heraus, dass Frauen nicht so viel wie Männer verloren haben. Aber der einzige Grund dafür war, dass sie vorher schon so viel weniger verdient haben. Nur deshalb konnten sie auch nicht so viel verlieren.
Heuer ist mit Bennie King vom Duo King & Potter erstmals auch ein Mann bei Ihrem Konzert dabei. Was wollten Sie damit zeigen?
Um etwas verändern zu können, brauchen wir auch die Unterstützung der Männer. Das merke ich an meinem Team. Ich habe wunderbare Männer dabei, ohne die wir nicht so weit gekommen wären. Ich spreche zwar jetzt von der Musikszene, weil ich mich da am besten auskenne. Aber diese Ungleichheit gibt es auch in vielen anderen Berufen und selbst in der Politik sind wir noch nicht da, wo wir sein müssten. Um auch darauf hinzuweisen, haben wir zwischen den Musik-Acts Podiumsdiskussionen. Heuer habe ich zum Beispiel die Wiener Frauenstadträtin Kathrin Gaál eingeladen, die erklärt, welche Möglichkeiten eine Frau hat, in Berufe zu gehen, in denen Männer dominieren.
Ina Regen hat eine ähnliche Veranstaltung zum Weltfrauentag. Wie sehen Sie den Unterschied zu Ihrer Initiative?
Ina Regen war 2018 bei meinem ersten „#WeAre - Starke Stimmen, Starke Frauen“-Konzert dabei. Im folgenden Jahr wurde mir erzählt, dass Ina eine Veranstaltung plant, die genauso ist wie meine. Das fand ich schon bizarr und enttäuschend, weil die Idee von meiner kopiert war, nachdem sie bei mir auf der Bühne gestanden hat. Ich war bereit, dass wir das gemeinsam machen, denn je größer das Event wird, umso mehr Aufmerksamkeit gibt es für die Sache. Das Interesse dafür war aber leider nicht da. Das fand ich sehr schade. Denn das sieht wie ein Konkurrenzkampf aus, aber das will ich nicht. Gerade am Weltfrauentag müssen wir zusammenhalten. Das ist mir das Wichtigste.
Musikerinnen begegnet immer wieder ein gewisser Alltagsexismus, dass sie zum Beispiel backstage bei Festivals automatisch als die Freundinnen von Musikern gesehen werden, anstatt als Künstlerinnen, die auf die Bühne gehen. Wollen Sie auch das ansprechen?
Wir zielen eher auf Gleichberechtigung beim Gehalt und eine 50/50 Aufteilung bei Frauen in Führungspositionen ab. Aber ich kenne diesen Alltagssexismus. Ich kenne einige Musikerinnen die mir erzählt haben, dass ihnen angeboten wurde: „Ich mache dich zu einem Star, wenn du . . .“ Das ist traurig, weil Frauen nicht als tolle Musikerinnen gesehen werden, sondern als hübsch zum Anschauen und gut zu Vermarkten. Ihr Können wird hintangestellt. Diese Thematik geht aber mehr in die Richtung der #MeToo-Kampagne. Wir wollen uns aber nicht beklagen, sondern sagen: Wir sind starke Frauen und alle gemeinsam können wir alles.
Tatsächlich hat sich in Bezug auf Frauenrechte auch schon einiges bewegt . . .
Natürlich. Ich habe vor Kurzem eine Werbung aus den 50er-Jahren gesehen. Der Tenor: Eine Frau muss nur schön sein, kochen und dem Mann das Essen auf den Tisch stellen. Das haben sie fünf Minuten lang im Fernsehen gezeigt. Und das ist noch nicht so lange her. Früher durfte ja sogar der Mann über die Frau entscheiden, ob sie arbeiten gehen darf und Ähnliches. Da sind wir zum Glück schon weiter gekommen. Aber es fehlt halt immer noch einiges. Es gibt viele Frauen in Führungspositionen, die sich dafür abrackern, weil sie gleichzeitig Mutter und Oma sind, Kinder zur Welt bringen und einfach viel, viel härter dafür arbeiten müssen. Auch das wollen wir hervorheben.
Was braucht es jetzt noch politisch, um Gleichberechtigung zu erreichen?
Dass man in den Führungspositionen auf 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer umstellt und nicht bei 80 Prozent Männer und 20 Prozent Frauen bleibt. Wir haben so viele kluge und talentierte Frauen in unserem Land. Die müssen gesehen und genauso betrachtet werden. Und nicht mit den Vorurteilen, dass sie nur hübsche, schöne Geschöpfe sind. Das sind sie zwar….haha… aber man kann das Können nicht nur auf die Schönheit runterbrechen.
Was konnte Ihr Auftritt bei „Dancing Stars“ in Bezug auf die LGBT-Community, aber auch in Bezug auf Frauenrechte ändern?
Ich glaube, dass ich damit Gesichtspunkte verändern konnte. Zum Beispiel hat mir jemand gesagt: „Du hast meine Oma, die im Burgenland sitzt und Blau-Wählerin ist, dazu gebracht, für dich anzurufen!“ Weil ich mit den Dingen offen umgehe und nicht den Fokus darauf lege, dass ich mit einer Frau zusammen bin, sondern dass das für mich Normalität ist, biete ich wenig Angriffsfläche. Ich lasse mich auch nicht von Hasskommentaren unterkriegen, von denen ich viel mehr bekomme, seit mein Bekanntheitsgrad gestiegen ist.
Hasskommentare in Bezug worauf?
Ganz schlimm war es, als wir veröffentlicht haben, dass wir ein Baby bekommen. Da war aber auch der Zuspruch enorm - speziell dafür, dass wir so offen damit umgegangen sind, dass wir auf Hilfe von Dritten zurückgreifen müssen. Denn das ist für Hetero-Paare immer noch ein Tabuthema. Bei ihnen geht man im Gegensatz zu gleichgeschlechtlichen Paaren davon aus, dass es ohne Hilfe von Dritten funktioniert. Viele Hetero-Paare trauen sich deshalb nicht, darüber zu sprechen, wenn das eben nicht so ist. Das ist immer noch ein Tabuthema. Deshalb haben sehr, sehr viele Hetero-Paare zu uns gesagt: Danke, dass ihr dieses Thema angesprochen habt. Es sind deshalb aber auch um so mehr Hasskommentare gekommen - von Leuten, die nicht tolerant sind, oder vielleicht Probleme in ihrem Leben haben. Denn wenn du auf jemanden grantig bist, liegt das immer an dir selbst. So gehen wir auch mit Hasskommentaren um, wir denken einfach: Schau, dass in deinem Leben alles in Ordnung ist, bevor du andere verurteilst.
Sind diese Kommentare auch bedrohlich?
Das nicht. Aber manche klingen wie Kommentare, die man in den 30er-Jahren getätigt hat. Da denkst du dir schon: Wo bist du denn stecken geblieben? Wir leben heute in einer Zeit, wo es so wichtig ist, dass man den Kindern beinbringt, dass es keinen Unterschied macht, ob du zwei Mamis, zwei Papis oder nur eine Mama oder nur einen Papa hast. Das Wichtigste ist, dass man das Kind lieb hat. Wenn das Kind geliebt wird, sind diese anderen Umstände egal. Es ist unsere Aufgabe, den Kindern, die wir jetzt großziehen, beizubringen, dass es normal ist, zwei Mamas oder zwei Papas zu haben - genauso wie wir gelernt haben, dass es normal ist, dass man Mama und Papa hat.
Ihre aktuelle Single heißt „Dance Alone“. Dabei geht es um den Überkonsum von Sozialen Medien, wobei Sie aber selbst in der Corona-Pandemie viel stärker auf die Sozialen Medien als Marketinginstrument gesetzt haben.
Wir haben TikTok-Videos gemacht, um weiterhin präsent zu bleiben. Denn wir hatten keine anderen Möglichkeiten mehr, konnten nicht mehr im Fernsehen sein und keine Konzerte spielen. Deshalb habe ich versucht, über diese Kanäle weiter mit den Fans zu kommunizieren. Irgendwann hat meine Frau beim Frühstück gesagt: „Leg jetzt dein Handy weg!“ Da habe ich gemerkt, dass man süchtig auf die Social-Media-Kanäle wird und viel zu tief in dieser Welt drinnen steckt, wo es nur mehr um Likes und Views geht. Dass man immer mehr davon habe möchte, und die private Kommunikation darunter leidet. Da habe ich beschlossen, dass ich das nur mehr in einer gewissen Zeit mache. So habe ich einen guten Weg gefunden, bei meiner Familie präsent zu sein, aber auch mit meinen Fans zu kommunizieren.
INFO: #WeAre – Starke Stimmen, Starke Frauen“ läuft am 6. 3. (12.00 Uhr) und am 8. 3. (19.00 Uhr) auf Radio Wien und ist am 10. 3. um 22.50 in ORF III zu sehen
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