Wie ist denn der Kartenverkauf angelaufen? Kann man einen Unterschied zum Vorjahr feststellen?
Der Verkauf läuft ziemlich gut. Wir bieten heuer etwas mehr als 60 Prozent des üblichen Programms, weil ja das Festival um drei Tage verkürzt wurde. Eigentlich hatten wir die Hälfte des Vorverkaufs vom Vorjahr erwartet, aber wir halten bei rund 70 Prozent. Natürlich sind die Leute etwas zurückhaltender, aber es ist trotzdem viel mehr, als ich erwartet habe.
Die Viennale ist dafür berühmt, dass viele Gäste ihre Filme nach Wien begleiten und mit dem Publikum Gespräche führen. Virtuelle Zuschaltungen sind geplant, aber wird es auch internationale Gäste „live“ geben?
Wir erwarten auch heuer internationale Gäste, etwa Abel Ferrara, Gianfranco Rosi oder Susanna Nichiarelli, die Regisseurin des Eröffnungsfilms. Alle Gäste aus dem Ausland müssen einen negativen Corona-Test vorweisen, der höchstens 48 Stunden alt ist.
Nicht nur die großen Studios, auch der Arthouse-Sektor hat heuer Filme zurückgehalten. Wie schwierig war die Programmgestaltung?
Das stimmt, verschiedene Filme warten auf die neue Festivalsaison – beispielsweise der Film des Thailänders Apichatpong Weerasethakul. Andere Filme wurden etwa auf die Liste des Festivals in Cannes gesetzt, das heuer ja nicht stattfand. Von dieser Liste habe ich etwa den neuen Film von Thomas Vinterberg „Druk“ („Der Rausch“) ausgesucht. Insgesamt gibt es heuer weniger Filme und mehr Wiederholungen, damit genügend Leute die Arbeiten auch sehen können. Aber am Ende des Tages hatte ich mehr Filme zur Auswahl, als ich zeigen konnte.
Wie sieht es mit Netflix-Filmen aus? Auf dem Festival in Venedig haben sie gefehlt.
Ja, manche Player sind nicht dabei, zum Beispiel Netflix-Filme. Netflix hat entschieden, aufgrund von Corona nicht auf Festivals aufzutreten, deswegen konnte ich auch keine Netflix-Filme für die Viennale programmieren. Normalerweise laufen auf dem Filmfestival in Venedig viele Netflix-Filme, die heuer komplett gefehlt haben. Aber ich fand das Programm interessant, weil andere Regisseure zum Zug kamen. Auch mit meinem eigenen Programm bin ich sehr glücklich.
Trotzdem muss man sagen, dass Netflix sich nicht damit hervortut, die gerade gefährdete Filmfestival- und Kinokultur zu unterstützen.
Das ist wirklich sehr traurig. Besonders was Venedig betrifft, wo Netflix immer sehr viel Platz eingeräumt bekam, sogar im Hauptwettbewerb. Netflix flirtet mit großen Kinoautoren wie Alfonso Cuarón und „Roma“, aber der Regisseur war es, der auf einen Filmstart im Kino bestand. Jetzt, im Chaos von Corona, zeigt Netflix keinerlei Interesse an der Kinokultur.
Was ist eigentlich mit dem neuen Film von Matt Dillon passiert? Seine Doku über den kubanischen Sänger „El Gran Fellove“ stand am Sommer noch auf dem Viennale-Programm, fehlt jetzt aber.
Das ist ebenfalls ein Beispiel für das abnehmende Interesse an Filmfestivals: „El Gran Fellove“ wurde von einer US-Produktionsfirma gekauft, die den Film auf einer Streamingplattform zeigen will. Die sind jetzt nicht mehr daran interessiert, dass der Film auf einem Festival läuft. Das war aber nicht Matt Dillons Entscheidung.
Es stellt sich auch die Frage, ob Venedig-Gewinner „Nomadland“, der auf der Viennale zu sehen ist und Disney gehört, ins Kino kommt. Die letzten beiden Disney-Filme gingen sofort auf Disney+.
Ich hoffe sehr, dass „Nomadland“ im Kino startet. Aber klar, im Moment der Krise denken die großen Konzerne nur an ihre Gewinne. Darum respektiere ich das Festival von Cannes auch so sehr, weil es eines der wenigen ist, das Druck auf die großen Studios ausübt, die Filme ins Kino zu bringen.
Die Viennale online war für Sie keine Option?
Nein. Ich habe nichts gegen das Streamen, aber online kam gar nicht infrage. Ich glaube fest daran, dass Filmfestivals etwas ganz Besonderes sind. Sie bieten Filmliebhabern ein einzigartiges Erlebnis. Die Viennale ist ein Festival für das Publikum und für Filme, die man im Kino ansieht.
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