Viennale: Brüllende Raubkatze in Zeiten der Krise

Eva Sangiorgi, Leiterin der Viennale, sieht das Filmfestival als Ort der Auseinandersetzung und der Diskussion
Das internationale Wiener Filmfestival feiert sein 60-Jahre-Jubiläum mit Schwerpunkt Österreich und Werner Herzog

Auch die Viennale kommt in die Jahre. Heuer feiert das internationale Wiener Filmfestival (vom 20. Oktober bis 1. November) sein 60-Jahre-Jubiläum. Anlässlich dieser runden Zahl wurde nicht – wie üblicherweise – nur ein Trailer in Auftrag gegeben, sondern gleich sechs davon. Renommierte Regisseure und Regisseurinnen spendeten Kurzbeiträge, darunter Oscarpreisträger Hamaguchi Ryūsuke, der ukrainischen Doku-Regisseur Sergei Loznitsa, die Französin Claire Denis und die US-Regisseurin Nina Menkes, deren Film „The Lioness“ auch gleich das diesjährige Plakatmotiv aufgreift: Das Sujet der brüllenden Raubkatze.

Schon vor der offiziellen Programmpräsentation, die am Dienstagabend im Metro Kinokulturhaus stattfand, ließ die Festivalleitung unter Eva Sangiorgi mit der Ankündigung aufhorchen, dass sie Ulrich Seidls umstrittenes Werk „Sparta“ zeigen würde. Die Viennale bezeichnet „Sparta“ als „herausragende“ und „reife“ Arbeit und will den Film, dem Vorwürfe zum Umgang mit den rumänischen Kinderdarstellern gemacht werden, zur Diskussion stellen.

Völlig unumstritten ist die Wahl des Eröffnungsfilms „Vera“ von Tizza Covi und Rainer Frimmel. Das Regiepaar – Covi stammt aus Bozen, Frimmel aus Wien – erzählt in seinem herausragenden Frauenporträt aus dem Leben von Vera Gemma, die als Tochter des Italo-Stars Giuliano Gemma zeitlebens im Schatten ihres Vaters stand. Am Eröffnungsabend wird „Vera“ gleich in vier Festivalkinos gezeigt.

Österreich Real

Insgesamt ist das Programm aus Österreich mit über zwanzig Kurz- und Langfilmen heuer besonders umfangreich. Ruth Beckermanns unterhaltsame Casting-Doku „Mutzenbacher“, in der Männer – angeregt von Felix Saltens „Wienerischer Dirne“ – über ihre erotischen Fantasien plaudern, steht ebenso auf dem Programm wie ein Porträt über die österreichische Autorin Elfriede Jelinek. Zudem werden unter dem Titel „Österreich Real“ heimische Dokus gezeigt, die sich mit Krisenzeiten auseinandersetzen.

Zu den Höhepunkten des zeitgenössischen Gegenwartskinos, das auf der Viennale gezeigt wird, zählen etwa Martin McDonaghs Freundschaftsdrama „The Banshees of Inisherin“ mit Colin Farrell und Brendan Gleeson, David Cronenbergs Comeback-Film „Crimes of the Future“ oder Jafar Panahis letztes Werk vor seiner Inhaftierung im Iran, „No Bears“. Bei der Abschlussgala läuft Mia Hansen-Løves neuer Spielfilm „Un beau matin“ mit Léa Seydoux.

Viele internationale Gäste werden erwartet, darunter die formidable Britin Joanna Hogg, Frankreichs Alice Diop und der deutsche Regie-Haudegen Werner Herzog.

Weiters ist eine Werkschau der exzellenten US-Komödiantin Elaine May gewidmet, eine andere Med Hondo, dem Begründer des afrikanischen Kinos. Die traditionelle Retrospektive mit dem Österreichischen Filmmuseum gilt dem japanischen Regisseur und Kinorevolutionär Yoshida Kijū.

INFO: www.viennale.at

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