Der große Blumenstrauß am Eingang kann den Eindruck nicht vertreiben, dass die „Viennacontemporary“ (VC), Wiens vorrangige Messe für zeitgenössische Kunst, schon einmal nobler ausgesehen hat. Liegt es am Fehlen des roten Teppichs, den man erhofften Großsammlern in früheren Jahren auszurollen pflegte? Oder an den schlecht verfugten, sichtbar geflickten Stellwänden, die mitunter vom Wert der Dinge ablenken, die auf ihnen montiert sind? Die Aussteller beteuern zwar, dass sich am Messebau nichts verändert habe, aber Details sind in dieser Branche wichtig, und Abnutzungen fallen auf.
Auch weitere Sitzgelegenheiten wären ein Plus für die Messe, die bis Sonntag wieder Kunstinteressierte und Sammler in die Marx-Halle lädt. Wer nicht zu den VIPs zählt, fläzt heuer nur auf einigen „Enzos“, den Sitzmöbeln aus dem MuseumsQuartier, dieses präsentiert sich wie viele weitere Kunstinstitutionen auf der Messe.
Erforschungen
Überhaupt ist die Annäherung zwischen Galerien und Museen ein Merkmal, das in der heurigen VC-Ausgabe – der ersten, die von der künstlerischen Leiterin Johanna Chromik verantwortet wird – ins Auge sticht.
Chromik hat das Format „Explorations“ („Erforschungen“) ins Leben gerufen, einen Sektor, für den Belvedere-Chefkurator Harald Kreijci die Auswahl traf. Er fokussiert dabei auf Kunstschaffende der 1960er und ’70er Jahre, die „an das Erbe des Nachkriegs-Surrealismus anknüpfen“, und nutzt die Ressourcen des Kunsthandels für eine interessante Themenschau. Wer kennt etwa Tess Jaray – Großnichte der einstigen Eigentümerin von Schieles „Bildnis Wally“, Lea Bondi-Jaray –, die in den 1960ern in London abstrakte Bilder auf Basis von Ansichten des Stephansdoms schuf?
Einige Werke in Kreijcis Auswahl docken an museales Programm an. Die Schau zu Josef Bauer im Belvedere 21 findet ihr Echo etwa am Stand der Galerie Krobath: Bauers allererste „körpernahe Form – eine tragbare Skulptur und damit ein Vorfahr von Franz Wests „Passstücken“ – ist dort um 40.000 Euro zu haben. Das Werk des Malers Alfred Klinkan, eben in der Neuen Galerie Graz gewürdigt, wird im Rahmen der „Explorations“ von der Galerie bei der Albertina/Zetter präsentiert.
Die Op-Art mit ihren famosen optischen Täuschungen – derzeit Gegenstand einer Schau im Wiener mumok – findet sich mit Positionen wie Alberto Biasi ebenso in Kreijcis Auswahl. Auch abseits der Sonder-Sektion hängen sich viele Aussteller an die Op-Art an, vor allem solche aus Ungarn, der Heimat des Pioniers Victor Vasarely.
Die Galerie acb (Budapest) spinnt den Faden mit Namen wie Tibor Cziky und Agnes Denes in die Gegenwart weiter. Mit Péter Türk hat die Vintage Galeria, ebenfalls aus Budapest, einen weiteren „Klassiker“ im Programm. Die Galerie Suppan aus Wien zeigt ebenso Geometrisches von einst und jetzt.
Der Status der „Viennacontemporary“ als ein Ort, an dem sich Kunst Osteuropas entdecken lässt, scheint unter Chromik gesichert. An manchen Punkten stellt sich allerdings doch die Frage, ob der forschende Blick der Messe nicht ein wenig zu sehr in die Vergangenheit gerichtet ist: Zwar gibt es nach wie vor die „Zone 1“, die jungen Kunstschaffenden mit Wien-Bezug vorbehalten ist – hervorzuheben ist hier etwa die Solopräsentation von Sophie Thun (Galerie Sophie Tappeiner) und die Malerei-Installation von Stefan Reiterer (Galerie Crone). Doch die jugendliche Energie hat es schwer, sich gegen die museal grundierten Angebote durchzusetzen.
Ob eine Kunstmesse sich mit Hipness, Luxus oder mit musealer Seriosität zu profilieren trachtet, ist freilich freilich auch eine Frage des (kaufenden) Publikums, das sie mobilisieren kann und will. Chromik, die aus dem hippen Berlin nach Wien kam, schätzt das hiesige Publikum offenbar etwas konservativ ein. Und vielleicht hat sie ja recht.
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