Wer die Porträtierte ist, weiß man nicht definitiv: Bisher war man davon ausgegangen, dass es sich um Constance Margarethe Lieser handelt, vielleicht malte Klimt aber auch eine der beiden Töchter von Henriette Amalie Lieser-Landau. Mithin ist die Provenienz nicht eindeutig geklärt. Man weiß nur: Nach dem Tod des Malers am 6. Februar 1918 ging das – in geringen Teilen unvollendete – Werk an die Auftraggeberin. Und 1925 war das Gemälde in der Neuen Galerie von Otto Kallir-Nirenstein zu sehen.
Im Salon einer Villa
Es existieren, so das Auktionshaus, „keine Beweise dafür, dass das Werk vor oder während des Zweiten Weltkriegs geraubt, gestohlen oder sonst wie rechtswidrig entzogen worden ist“. Die jetzigen Eigentümer hätten es vor etwa zwei Jahren von entfernten Verwandten geerbt, seit Mitte der 1960er-Jahre habe es sich im Salon einer Villa in der Nähe Wiens befunden. Und dort nahm es Co-Geschäftsführer Ernst Ploil von der Wand. Auch wenn es hinsichtlich der Provenienz nur Indizien gibt: Unbestritten ist, dass die Familie Lieser in der NS-Zeit verfolgt wurde. Daher erteilte das Bundesdenkmalamt eine Ausfuhrgenehmigung – was den Wert des Bildes deutlich erhöht.
Fast zeitgleich – aber unabhängig vom „Bildnis Fräulein Lieser“ – wollten auch die Kunsthändler Wienerroither & Kohlbacher einen veritablen Klimt-Coup landen: auf der TEFAF, die vor einer Woche in Maastricht stattfand. Sie hatten das bis dahin verschollen geglaubte Gemälde bereits in ihrer Koje, und einige sahen es auch. Aber die strengen Vorgaben der Messe-Jury konnten nicht erfüllt werden: Entgegen der Hoffnungen konnten die Wiener Kunsthändler noch keine Einigung mit den Erben früherer Eigentümer erzielen. Lui Wienerroither möchte das Werk nun bei der TEFAF New York (von 10. bis 14. Mai) präsentieren. Bis dahin will man Stillschweigen wahren.
Auch von diesem Werk hat bis dato nur ein Schwarz-Weiß-Foto existiert. Der „Negerkopf“ wurde in der 35. Kunst-Auktion von S. Kende in Wien Anfang Mai 1923 als Los 53 angeboten, fünf Jahre später war er in der Secession anlässlich Klimts zehnten Todestags ausgestellt. Laut Katalog handelte es sich um eine Leihgabe aus „Privatbesitz“. Danach verliert sich die Spur.
Lange tappten die Klimt-Forscher im Dunklen. Mitte September 2015 aber berichtete der KURIER über die Recherchen von Alfred Weidinger, damals Vizedirektor der Österreichischen Galerie Belvedere. Denn er entdeckte, dass es auch von Franz Matsch ein Porträt eines Afrikaners gibt, und fand eine Reproduktion von „Der junge Negerhäuptling“ in einem Dorotheum-Katalog aus dem Jahr 1972. Siehe da: Matsch und Klimt, die als „Künstler-Compagnie“ die Theater und Palais der Monarchie ausgemalt hatten, müssen den Mann gleichzeitig porträtiert haben. „Matsch malte ihn beinahe en face, Klimt im Profil.“
Im Jahr 1900 kam es zum Bruch zwischen den beiden Künstlern. Der „Kopf eines Negers“ musste also zwischen 1897 (erstmaliges Auftauchen der Blumengebilde im Hintergrund) und der Jahrhundertwende entstanden sein.
Der Menschenzoo
Damals waren Schwarze eine Attraktion in ganz Europa. 1896 wurde eine Gruppe der Aschanti im „Thiergarten am Schüttel“ in Hütten präsentiert. Weil der „Menschenzoo“ derart profitabel war (seit damals nennt man Erdnüsse auch „Aschanti-Nüsse“), wurde die Zurschaustellung 1897 wiederholt – mit einer mehr als 100-köpfigen Truppe. Anhand von Fotos fand Weidinger heraus, dass die Person, die Klimt und Matsch malten, der „Negerhäuptling“ war– das Stammesoberhaupt William R. Dowoonah.
Der KURIER-Artikel löste einiges aus: Weidinger, nun Chef des Landesmuseums in Linz, konnte das Puzzle vervollständigen. Denn auf der Rückseite des Bildes fand sich ein Hinweis der Secession auf den Besitzer im Jahr 1928. Da es sich um eine jüdische Familie handelt, wird es eine Ausfuhrgenehmigung geben.
Aber noch hat Alfred Weidinger zu schweigen.
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