Die wichtigste Messe für Alte Kunst verdankt ihrem Ruf einem strengen Prüfverfahren. Zugleich ist restituierte Raubkunst wichtiger Bestandteil des Angebots
Ob das Bild einen Käufer findet, ist nicht gesagt – es erhält jedenfalls viel Aufmerksamkeit und hat einen eigenen Bodyguard am Messestand: Wassily Kandinskys „Ansicht von Murnau II“ (1910) ist das teuerste Werk, das heuer auf der Kunstmesse TEFAF in Maastricht ausgestellt ist. Wobei Händlerin Jennifer Landau auf KURIER-Anfrage nur nebulös einen Preis „oberhalb von 50 Millionen US-Dollar“ bestätigt – „denn so viel haben wir dafür bezahlt“.
Vor einem Jahr war das Werk bei Sotheby’s um 37,2 Millionen Pfund – damals rund 45 Mio. US-$ – ersteigert worden. Dem vorangegangen war eine Restitution aus dem Van Abbe-Museum in Eindhoven an die Erben des jüdischen Berliner Industriellenpaares Siegbert und Johanna Stern – Ersterer starb 1935, Letztere wurde 1944 in Auschwitz ermordet.
Die Klärung von Ansprüchen Erbberechtigter können ein Kunstwerk wieder „marktfähig“ machen – und die TEFAF (das Kürzel steht für „The European Fine Art Fair“) bezieht ihre Stellung als weltweit wichtigste Messe für Alte Kunst zu einem guten Teil aus dem Umstand, dass sie die Vorgeschichten der ausgestellten Objekte so akribisch prüft wie keine andere Messe sonst.
Klimt doch nicht dabei
Das Wissen darum, was auf dem Spiel steht, bewog auch die Wiener Händler Wienerroither & Kohlbacher (W&K), ein als TEFAF-Highlight geplantes, frühes Klimt-Gemälde am Vorabend der Messe kurzfristig aus dem Programm zu nehmen: Man habe mit den Erben früherer Besitzer an einer Lösung gearbeitet, die dann aber nicht rechtzeitig zur Messe abgeschlossen wurde, sagte Andrea Glanninger-Leitner von W&K. Wenn alles nach Plan laufe, könne das Werk aber bald angeboten werden.
Auf Zweifel lassen sich die Händler aber gar nicht erst ein: Wer auf der TEFAF ausstellt – neben W & K gehört die auf angewandte Kunst aus Wien um 1900 spezialisierte „Galerie Bel Etage“ zu den regelmäßigen Ausstellern aus Österreich – unterläuft nämlich einen strengen Jury-Prozess, „Vetting“ genannt.
Provenienzen müssen zunächst in Datenbanken geprüft werden, nach dem Aufbau des Stands legen Händler für jedes Objekt eine umfassende Dokumentation vor, erklärt Glanninger-Leitner: „Dann ist die Halle zwei Tage lang zu, und die Händler dürfen nicht hinein.“
Mehr als 200 Expertinnen und Experten, aufgeteilt in Gruppen für einzelne Fachbereiche, durchsieben in dieser Zeit das Angebot – nicht nur Provenienzen, auch die zugeschriebene Autorenschaft und der Erhaltungszustand wird dabei überprüft.
Wird etwas als „nicht messewürdig“ eingestuft, kann es sein, dass die Verkäufer nach der zweitägigen Frist einen leeren Fleck auf ihren Messestand vorfinden: Die Werke werden dann abgehängt und für die Dauer der Messe eingesperrt. „Es geht um den Käuferschutz. Das ist der Grund, warum Museen hier einkaufen gehen“, sagt Glanninger-Leitner.
Uneindeutigkeiten
Manchmal lassen sich Geschichten aber auch nicht restlos klären. Bei einem Klimt-Entwurf zum Beethovenfries aus dem Besitz des 1938 vertriebenen Wieners Erich Lederer, den der Londoner Händler Stephen Ongpin um 210.000 € anbietet, ließe sich etwa nicht exakt sagen, wie viele Blätter der Vertriebene besaß und 1938 bei seiner Flucht mitnehmen konnte, erklärt die Expertin Marian Bisanz-Prakken, der der KURIER beim Rundgang eher zufällig begegnet. Die ehemalige Kuratorin an der Albertina, zentrale Instanz für das zeichnerische Werk Klimts, ist eine jener vielen Museumsleute, die sich bei der TEFAF vernetzen und informieren.
Überhaupt war bei der Vernissage viel Prominenz aus dem Museumsbereich anzutreffen: Neben Max Hollein, Chef des Metropolitan Museums New York, KHM-Direktorin Sabine Haag und dem designierten Albertina-Direktor Ralph Gleis (der scherzhaft gefragt wurde, ob er mit der Kreditkarte der Albertina einkaufen gehe), waren auch Mäzenaten-Gruppen aus Übersee angereist. Neben der Vernetzung haben solche Besuche oft den Ankauf von Objekten für Museen zur Folge: In wackligen Kunstmarkt-Zeiten streicht die TEFAF noch mehr hervor, dass sie weniger ein Luxuskaufhaus als vielmehr Umschlagplatz für zu Objekten gewordene Geschichte ist.
Geschmacksmigration
Die Geschichten von Entzug und Vertreibung sind dabei nur eine Facette. Der Austausch in Maastricht lehrt auch viel über internationale Beziehungen und die Wellen des Geschmacks, die bestimmte Kunst zu bestimmten Zeiten begehrt machen und zu anderen nicht.
Heuer meint man an manchen Stellen einen Re-Import von Kunst aus dem Umkreis nordamerikanischer Eliten nach Europa zu bemerken: Ein Porträt des Niederländers Frans Hals aus dem 17. Jahrhundert, das einst einem Wiener Adeligen gehörte und bereits Ende des 19. Jahrhunderts via Paris nach New York ging, ist nun etwa am Stand des niederländischen Händlers Salomon Lilian gelandet (7,5 Mio. €) – eine Ausstellung in Amsterdam fördert gerade die Wiederentdeckung des Malers.
Ein frühes Bild einer Bäuerin von Van Gogh, das Jahrzehnte ungesehen in Kanada hing, trägt das Messedebüt der Galerie M. S. Rau aus New Orleans (4,5 Mio.€). Der Prachtband „Birds of America“ (1827–’38) ein Meisterwerk der Druckgrafik, steht beim Londoner Antiquar Daniel Crouch um 11,5 Millionen Euro zum Verkauf. Aus technischen Gründen hätten einst amerikanische und britische Drucker bei dem Werk zusammengeholfen, erklärt der Händler, als eine Museums-Gruppe seinen Stand besucht. Ob das nächste Kapitel durch ihre Kooperation bei einem Ankauf geschrieben wird? Auf der TEFAF können solche Dinge geschehen.
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