Von: Silvia Kargl
Diese Uraufführung kann sich sehen lassen: Mit „Dada Masilo’s Hamlet“ ist es der südafrikanischen Choreografin und Tänzerin bei ImPulsTanz im Burgtheater gelungen, an ihre Erfolge der letzten Jahre anzuschließen, die alle bereits bei diesem Festival zu sehen waren.
Nur wenige Choreografinnen und Choreografen der zeitgenössischen Tanzszene sind daran interessiert, Stücke nach literarischen Vorlagen zu gestalten. Schade, denn das Publikum zeigt dafür großes Interesse. Masilo, einst Tänzerin im Ensemble von William Kentridge, kann Geschichten im Tanz erzählen, mit ausgezeichneter Live-Musik (Komposition und Leitung: Thuthuka Sibisi) begleiten, und zu alledem ist sie die beste Interpretin ihres eigenen Tanzstils.
William Shakespeares „Hamlet“ ist nicht nur im Schauspiel, in Film und Oper präsent, sondern seit dem 18. Jahrhundert in zahlreichen Balletten und im Tanztheater. So wie jetzt von Masilo und den Mitgliedern ihrer exzellenten Dance Factory hat man „Hamlet“ freilich noch nicht gesehen. Zwar rückte 2022 auch Florentina Holzinger höchst erfolgreich Ophelia in ihrem „Ophelia’s Got Talent“ in einem multimedialen Spektakel in den Vordergrund, doch auch Masilo gelingt es in ihrem Tanztheater, neue und weitere Blickwinkel auf Ophelia zu werfen.
Den Beginn macht Hamlet, der von zwei Interpreten verkörpert wird, Aphiwe Dike als Schauspieler, der Texte spricht, und Leorate Dibatana als Tänzer. „To be or not to be“ als Eröffnungsmonolog bei Masilo macht klar, dass Hamlets Wirken und die Folgen seiner Gedanken alle Personen im Stück betreffen werden. Nicht ohne Humor erfolgen der Auftritt von Königin Gertrude, besetzt mit Albert Khoza, von Claudius und der Hofgesellschaft. Wie überhaupt Masilo nicht nur an die Shakespeare'sche Tradition anschließt, Frauenrollen mit Männern zu besetzen: Charaktere werden verdoppelt, die Tänzerinnen und Tänzer übernehmen wechselnde Rollen, und Tote können im Tanz zum Leben erweckt werden.
Das Theaterstück wird nicht chronologisch mit tänzerischen Mitteln nacherzählt. So geht es mehr um das Innenleben der Charaktere, allen voran Dada Masilo als Ophelia. Im Duett mit Hamlet als große Liebende, später als zurückgewiesene Leidende ist sie es, die körperlich die „aus den Fugen geratene“ Zeit in ihrem Wahnsinn gestaltet. Großartig ist ihre Tanzsprache, deren Arm- und Handbewegungen vom Ballett inspiriert sind, die lockeren Hüften, Drehungen und Schritte im Barfußtanz haben ihre Wurzeln in afrikanischen Tänzen.
Am Ende sterben alle, im Unterschied zu Shakespeares Hamlet reichen sie eher zufällig vergiftete Becher weiter. Nur die Außenseiterin Ophelia bleibt über. Nackt und einsam bewegt sie sich zum Wasser, vereint sich in einem berührenden Solo mit der Natur.
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