"Ich misstraue der Menschheit prinzipiell"

Rudi Klein, aka Ivan oder Ruud Klein, zuletzt Rudolf Klein, ist Zeichner, Poet und Sachen-Sucher. Er ist "Der Herr der Dinge", so der Titel seines ersten Romans.
Der Zeichner, Sachen-Sucher und „Lochgott“-Schöpfer Rudi Klein über seinen ersten Roman.

Seine Zeichnungen sind minimalistisch, deren Aussagen existenzialistisch. Dicke, buckelige Wesen erklären das Elend der Welt. Alles wäre besser, sagt Rudi Klein, wenn das Aus-dem-Fenster-Schauen wieder in Mode käme. Seinen Status als Gesamtkünstler stellt der Zeichner, Sammler und Poet mit seinem ersten Roman nun erneut unter Beweis. „Der Herr der Dinge“ erzählt von Herrn Stefan, der scheinbar wertlose Dinge hortet. Wer Herrn Rudi kennt, dem mag das bekannt vorkommen.

KURIER: Sie behaupten im Vorwort Ihres Romans, Sie hätten ihn mit dem rechten Zeigefinger geschrieben. Wie lange hat das gedauert?

Rudi Klein: Ich bin da relativ schnell, ich schreibe ja oft kleine Texte. Insgesamt hab ich ein dreiviertel Jahr gearbeitet.

Sie haben darin viele Anekdoten aufgearbeitet, die man aus Ihrem Bekanntenkreis kennt. Wird der zweite Roman auch autobiografisch?
Ich hab keine Ahnung. Ich muss jetzt einmal auf die Reaktionen zum ersten abwarten. Vielleicht erledigt sich das dann ja eh.

Also die Antwort auf die nicht gestellte Frage ist: Das ist ein autobiografisches Buch.
Nicht ganz. Ich fand es lustiger, einen Abstand einzubauen. Leute wollten von mir, dass ich das in der Ich-Form runter-trommle, ich hab das auch versucht, aber es ist mir nicht gelungen. Es war nicht sehr lustig.

Soll dieses Buch als „lustig“ gelesen werden?
Bei mir gibt es keinen Unterscheidung zwischen „lustig“ und „nicht lustig“.

Es ist ja tatsächlich lustig, aber gleichzeitig sehr finster.
Naja, es ist ja nicht das übliche Buch von einem lustigen Menschen. Ich kann ja selten über lustige Sachen lachen.

Das Buch hat auch sehr ernste Seiten. Der Protagonist, Herr Stefan, ist ja fast ein Messie.
Naja, ein Messie selber würde das nicht so sehen. Bei mir ist es ja ähnlich, ich finde eine Art von Haufenordnung sehr praktisch. Würde ich etwas in eine Lade räumen, wäre es verschwunden. Während, wenn Dinge in einem Haufen liegen, weiß ich, wo ich suchen muss. Und ich sehe das nicht so negativ, was der Herr Stefan macht. Es ist vielmehr ein Ansatz, diesem Wertesystem unserer Welt etwas entgegen zu stellen.

Auch das ist ja keine lustige Sache: Herrn Stefans Sachen-Anhäufung könnte man als Kritik an der Konsumgesellschaft interpretieren.
Schon, das wird jetzt nicht mit Rufzeichen ausgesprochen, aber es steckt dahinter.

Eine Kritik an den – Zitat – „Heilsversprechen des Kapitalismus“?
Das Konsumieren, das ich ja auch betreibe, wie viele andere, verblödet mich zunehmend. Es macht mich schlaff, meine Wehrhaftigkeit leidet darunter. Und man jagt Werten nach, von denen man man gar nicht mehr überprüft, ob es die eigenen sind.

Wäre die Welt eine bessere, wenn das Aus-dem-Fenster-Schauen wieder in Mode käme?
Ja! Dann würde die Lebenszeit nicht so schnell vergehen. Die Fadesse, die ich als Jugendlicher erlebt habe, ist für mich ein unglaublicher Wert. Deshalb bin ich ein bisschen skeptisch, wenn Kinder heute ununterbrochen beschäftigt werden. Die haben schon in der Volksschule Stress. Denen ist nie fad.

Es war wohl eine bessere Zeit, als es den ganzen Tag nur Testbild im Fernsehen gab.
Ich habe neulich auf einem Klo im Mühlviertel eine Zeitung aus dem Jahr 1983 gefunden. Gar nicht so lang her. Da war das Fernsehprogramm um zwölf Uhr aus. Es war nicht besser, aber es war kürzer.

Die Objekte in diesem Buch sind authentisch. Manche kennt man ja aus Ihrem Geschäft – wie den Wecker mit dem Schweinegesicht.
Es ist vieles authentisch in diesem Buch. Vor allem der unglaublich gute Sex. Ich habe allerdings in der Gesellschaft so eine Kasperlrolle, dass mich niemand ernst nimmt.

Wir nehmen Sie ernst! Wir führen hier ein seriöses Interview. Ihr Buch ist sehr melancholisch. Und es hat nicht viel Handlung. Wo doch heutzutage jeder Krimis schreibt.
Die einen schreiben Krimis, die anderen wollen den großen deutschen Roman schreiben.

Was war ihr ursprünglicher Plan?
Etwas zu machen, das ich kann. Für den großen Roman braucht man ja eine sensationelle Grundidee. Und dann braucht man ein ausgeklügeltes Drehbuch. Ich weiß nicht, ob ich mir das zutrauen würde, vor allem aber hab ich keine Lust drauf. Ich wollte mein Buch nicht so konstruieren.

Manche Schriftsteller haben einen genauen Plan, andere schreiben drauf los. Manche behaupten dann sogar, ihre Figuren würden ein Eigenleben entwickeln und sie selbst seien sehr gespannt, wie es weitergeht.
Daran glaub ich nicht.

Ihr Buch ist stellenweise sehr böse.
Naja, eine Abrechnung ist es nicht. Harmlos. Es ärgert mich vieles auf dieser Welt, wie eben diese Seilschaften aus Kultur und Politik.

Sie schreiben seit Jahren kleinere Texte. Wie kam es jetzt zum Roman?
Ich habe beschlossen, jetzt einmal etwas anderes zu tun, als Möbel-Lutz-Werbungen anzuschauen und stattdessen etwas zu schreiben. Es ist eine Vielzahl von Geschichten über kleine Dinge geworden. Dieses Bedürfnis hatte ich schon lange.

Wer ist Ihr idealer Leser?
Leute, die so gestrickt sind wie ich. Die übliche Familiengeschichte über fünf Generationen, davon hab ich schon lang die Nase voll. Und ein wesentlicher Faktor dieser Aufarbeitungs-Geschichten fällt bei mir weg: Mein Vater war kein Nazi. Wenn mir jemand im Wirtshaus so eine Geschichte erzählt, find ich das spannend, aber über 500 Seiten hinweg möchte ich das nicht lesen.

Andere Autoren arbeiten genau so: sie saugen alles am Wirtshaustisch auf, um es dann zu schreiben.
Ich saug es aus meinem Hirn. Ich schreibe durch mein Hirn gesiebte Realität, die ein bisschen verquer ist. So, wie ich die Welt eben sehe. Es gibt ja immer einen Unterschied, ob man von Dingen, oder von Menschen inspiriert wird. Und ich misstraue der Menschheit ja prinzipiell. Ich bin vorsichtig in der Beurteilung der Welt.

Die Authentizität der Objekte in diesem Buch ist unumstritten. Gibt es etwas, das es nicht ins Buch geschafft hat?
Kaum war ich fertig, habe ich auf dem Flohmarkt in Eisenstadt eine selbstgemachte Micky Maus gefunden. Die finde ich extrem gut. Sie wird im nächsten Buch Platz finden. Es wird heißen: „Der Herr der Inge.“

"Ich misstraue der Menschheit prinzipiell"
cover
Tipp: Rudolf Klein: „Der Herr der Dinge“.

Ein bebildertes Buch über einen Lebensautodidakten und seine
Beziehung zu wertlosen Gegenständen.
Czernin Verlag.
223 S. 24,90€

Rudi Klein - kleinteile.at

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