Und was ist mit der "Rothaut"?
Als Josef Winkler, der spätere Büchner-Preisträger aus Kärnten, 2001 für seine römische Novelle „Natura morta“ aus der Hand von Günter Grass den „Alfred-Döblin-Preis“ bekam, las er während der Zeremonie aus dem Buch vor – in dem auch von „Zigeunern“ und „Negern“ die Rede ist.
Deshalb wurde er gefragt: „Was halten Sie eigentlich von political correctness?“
Seine Antwort: „Ein Zigeunerführer hat einmal zu mir gesagt: ,Ihr müsst uns nicht Roma oder Sinti nennen, ihr könnt ruhig weiterhin Zigeuner zu uns sagen. Aber eines wollen wir: von euch menschenwürdig behandelt werden!'“
So erzählte Winkler dem KURIER, als er gebeten wurde, sich in die aktuelle Debatte um „böse Wörter“ in (Kinder-)Büchern einzumischen.
Aus fürs Wichsen
Wie berichtet, modernisiert der deutsche Thienemann Verlag „Die kleine Hexe“ aus den 1950er-Jahren von Otfried Preußler und entfernt – mit dessen Erlaubnis – „Negerlein“ und „Neger“.
„Durchgewichst“ wird schon seit Jahrzehnten nicht. Sondern ... „verhauen“.
Christine Nöstlinger ist nicht die einzige Autorin, die sich darüber empörte: Man könne doch keine Wörter „verhaften“, um üble Gesinnung zu bekämpfen!
In den USA wird darüber seit gut 15 Jahren diskutiert, und bei der Neuauflage von „Tom Sawyer“ hat ein Verlag in Alabama den „Niggerjim“ zum „Sklaven Jim“ gemacht.
Das war auch dem schwarzen Bürgerrechtler Ishmael Reed zu viel: „Zensurieren wir jetzt auch Liedtexte? Der Hip-Hop wäre tot!“
Nun ist „Tom Sawyer“ gewiss nicht rassistisch – im Gegensatz zu „Vom Winde verweht“.
Die Verfilmung mit Hattie McDaniel in der Rolle der Haushälterin, die alle Vorurteile gegen Schwarze erfüllt, ist im Vergleich zum Buch harmlos. (Als Dank dafür bekam sie als erste schwarze Schauspielerin einen Oscar.) Aus Margaret Mitchells Roman wurde bisher nichts gestrichen.
In der umjubelten „Tom Sawyer“-Neuübersetzung von Andreas Nohl (2010) blieb der „Nigger“. Weil, so Nohl, „die political incorrectness in seiner Authentizität außerordentlich wichtig ist.“
Das Buch wäre keine Weltliteratur mehr.
Die Figuren wären tot.
Winnetou
Und so meint auch Gerhard Ruiss von der IG Autoren: „Einen wie Otfried Preußler umschreiben zu wollen, ist das Blödeste. Da müsste man seinen ,Räuber Hotzenplotz‘ komplett streichen. Korrekt ist in diesem Buch nichts.“
Niemand hindere einen Verlag daran, ein Werk, das er für rassistisch hält, vom Markt zu nehmen. „Aber wenn’s nicht rassistisch ist, möge man es ihm nicht unterstellen.“
Die Linzer Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Anna Mitgutsch ist zwar „sehr für den Ausdruck von Respekt, der sich in einem korrekten Sprachgebrauch niederschlägt.“
Dass „an der Literatur nicht nach dem letzten politisch korrekten Sprachgebrauch herumgeändert wird, ist mir allerdings trotzdem ein Anliegen.“
Sogar ein Karl May sollte so belassen werden, wie er ist: „Rothaut“ ist ja auch alles andere als politisch korrekt – aber ich kann mir nicht vorstellen, dass von Winnetou plötzlich als ,native American‘ gesprochen wird.“
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