Ukrainischer Dirigent: "Wir haben den Krieg schon gewonnen“

Ukrainischer Dirigent: "Wir haben den Krieg schon gewonnen“
Mykola Diadiura, der künstlerische Direktor der Oper Kiew, dirigiert am 13. 3. ein Benefizkonzert in St. Pölten.

Er hat mit Granden wie Seiji Ozawa und Leonard Bernstein gearbeitet und der Oper in Kiew ein neues, modernes Gesicht verliehen. Als Regisseur, Dirigent, als künstlerischer Leiter. Kommenden Sonntag dirigiert Mykola Diadiura im Festspielhaus St. Pölten das Tonkünstler-Niederösterreich. Neben dem gebürtigen Ukrainer sind auch Tenor Michael Schade, der russische Geiger Sergei Dogadin und Ensemblemitglieder des Landestheaters Niederösterreich im Einsatz, um eine klare künstlerische Botschaft zu vermitteln. „Wir brauchen sofort Frieden“, so Mykola Diadiura im KURIER-Gespräch.

Der 1961 in Kiew geborene Maestro hat die russische Invasion auf die Ukraine in Polen erlebt. „Ich bin mit meiner Frau hier in Warschau, da ich lang vereinbarte Konzerttime habe. Meine Tochter ist glücklicherweise am Mozarteum in Salzburg tätig, aber meine Mutter ist immer noch in Kiew. Sie kann sich kaum bewegen. Kontakt halten wir über das Internet, aber es ist eine furchtbare Situation.“

"Wir wissen uns zu wehren"

Hätte Diadiura je gedacht, dass so ein Krieg möglich sein könnte? „Nein, sicher nicht. Aber wir haben schon gewonnen, denn Putins Idee eines Blitzkrieges ist gar nicht aufgegangen. Wir wissen, uns zu wehren. Aber natürlich brauchen wir Hilfe. Die Ukraine gehört zu Europa, auch zur EU oder zur NATO. Das muss ja nicht offiziell sein, aber kulturell ist die Ausrichtung logisch. Und als Volk sind wir vereint wie nie zuvor.“

Im Festspielhaus wird Mykola Diadiura vor allem Werke von Ludwig van Beethoven dirigieren, denn „er ist der musikalische Vorkämpfer für jede Art von Freiheit.“ Dass ihm die NÖKU als Veranstalter diese Plattform gibt, dass der ORF mit seiner Hilfsaktion „Nachbar in Not“ mit an Bord ist, stimmt Diadiura zuversichtlich. „Ich danke allen von ganzem Herzen. Die Welt steht auf unserer Seite.“

Doch wie soll es in der Ukraine, in Kiew weitergehen? „Ich bin in ständigem Kontakt mit all meinen Musikerinnen und Musikern, denen es sehr schlecht geht. Wir haben in Kiew alle Symphonien von Beethoven, von Brahms und vielen anderen großen Komponisten aufgeführt. Die Konzerthalle wurde bombardiert, das Opernhaus glücklicherweise bis jetzt nicht.“ Fast lachend: „Denn so alte Gebäude interessieren die Russen in ihrem Krieg nicht.“

Aufbauarbeit

Aber: „Es wird viel Aufbauarbeit benötigen, um das normale und das kulturelle Leben wieder herzustellen. Wir haben an der Oper Kiew, wo ich als künstlerischer Direktor auch Regie führe, einen Spielplan vom Barock bis zur Gegenwart. Wir haben fantastische Künstlerinnen und Künstler. Die Ukraine und Russland müssen keine Feinde sein. In diesem Punkt hat sich Vladimir Putin massiv verschätzt und daher wird er auch nicht gewinnen. “

Doch wie steht Mykola Diadiura zu den westlichen Sanktionen (sprich Ausladungen) russischer Künstler? „Ich finde, hier muss man differenzieren. Ich erwarte mir jedoch klare Statements gegen den Angriffskrieg. Aber Vorverurteilungen nur aufgrund einer gewissen Staatsangehörigkeit lehne ich ab. Unser oberstes Ziel muss jetzt ohnehin ein anderes sein. Nämlich mit den Mitteln der Diplomatie und der Kunst ein Zeichen gegen den Krieg zu setzen. Das wollen wir am Sonntag in St. Pölten tun. Und dann hat dieser Albtraum hoffentlich bald ein Ende.“

Peter Jarolin

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