Udo Lindenberg: "Trump ist ein Krimineller an der Menschheit"

Sänger Udo Lindenberg bei "MTV Unplugged 2".
Der "Panikrocker" spricht im Interview über sein neues "MTV Unplugged"-Album, Mozart und Mauern in Europa.

Beschaulich ist die Atmosphäre im Hamburger Nobelhotel Atlantic. In der Lobby wird ruhige Klaviermusik gespielt und in den Ledersesseln versinkt man tief. Wer vielleicht nicht ganz ins Bild passt: Udo Lindenberg. Der selbstbetitelte „Panikrocker“ lebt seit mehr als 20 Jahren im Hotel Atlantic, wo er im Interview bei Tee und Energydrink von seiner „MTV Unplugged“-Show erzählt.

Im Juli ist er in Hamburg zum zweiten Mal für die Konzertreihe auf der Bühne gestanden, mit klassischem Orchester und Duettpartnern wie Alice Cooper, Jan Delay und „Tatort“-Kommissarin Maria Furtwängler. Der Mitschnitt von „MTV Unplugged 2 - Live vom Atlantik“ ist nun auf CD, DVD und Vinyl erhältlich, mit alten Lindenberg-Songs und dem neuen „Wir ziehen in den Frieden“ – einem Statement für Gerechtigkeit.

KURIER: Wie zieht man denn in den Frieden?

Udo Lindenberg: Auf die Straße gehen und die Scheiße nicht mehr mitmachen. Zeigen, dass wir keine stumme Armee sind. Die Probleme, denen wir uns jetzt ausgesetzt sehen – Klimawandel, Plastikschrott in den Meeren und das Abholzen der Regenwälder – können wir nur international lösen, ist ja klar. Jeder, der sich mit nationalistischem Gelaber aus der Verantwortung nimmt, aus dem Pariser Klimaabkommen oder aus allen möglichen Abkommen aussteigt, ist ein Verräter und ein Krimineller. Trump ist ein Krimineller an der Menschheit. Und wer Stacheldraht hochzieht und Mauern baut wie Orbán, kriegt keine Kohle mehr aus Brüssel, fertig, aus, Arschtritt.

Im KURIER-Interview vor zwei Jahren haben Sie gesagt, Sie hätten früher gedacht, Popmusik könnnte mehr verändern. Ist Ihr Optimismus wieder da?

Ja, der ist wieder da. Herbert Grönemeyer ist keinen Millimeter nach rechts gerückt, und Künstler wie Marteria und Casper, die sich bisher nicht so politisch exponiert haben, sind in Chemnitz auf die Bühne gegangen (beim „Wir sind mehr“-Konzert gegen rechts). Wir sind eine große Rock- und Pop-Family, wo es früher Rivalität und Neid gab. Das hat sich irgendwie geändert.

 

Hätten Sie sich vor 50 Jahren gedacht, einmal mit einem klassischen Orchester auf der Bühne zu stehen?

Nee (lacht), das hätte ich auch nicht gedacht.

Wieso jetzt doch?

Wegen meiner Stimme. Die passt total gut zur Symphonie, zu Morricone und zu Tarantino-Filmen. Ich habe auch viel investiert in diese Stimme, mit Whiskey und Zigarren, ganz teuer alles, Hunderttausende hat das gekostet. Jetzt rentiert sich das.

Ihre Duettpartner stammen ja aus fast allen Genres, auch Schauspielerin Maria Furtwängler war dabei.

Genau. Maria hat ja vorher nicht gesungen. Wir haben uns im Hotel kennengelernt. Sie brauchte für einen Maskenball ein Outfit, also hat sie meinen Hut auf, meine Jacke an und meine Hose an. Und sie hat gesagt: „Ich fühle mich sowas von locker und easy. Ganz anders als mit dem hochgeschlossenen Abendkleid. Es ist alles ein wenig crazy.“ Und es ist doch schön, ein bisschen verrückt zu sein. Die Normalen, was haben sie aus der Welt gemacht? Guck sie dir an! Beim Konzert haben wir dann den Agentensong gesungen („Bist Du vom KGB“). Und jetzt ist sie total geflasht, dass sie auch Sängerin ist und sie kommt mit mir auch mit dem Rockliner mit auf Tour.

Udo Lindenberg: "Trump ist ein Krimineller an der Menschheit"

"Tatort"-Kommissarin Maria Furtwängler im "Udo-Look". Bei "MTV Unplugged" gab sie ihr Debüt als Sängerin.

Sie haben sich nicht nur für „Unplugged“ mit verschiedenen Künstlern zusammengetan, Sie fördern mit Ihrer Stiftung auch den Nachwuchs. Wer wird denn da mal Ihr Erbe antreten?

(überlegt) Das gibt’s nicht. Das gab’s bei Beethoven auch nicht oder bei Mozart. Das sind so spezielle Leute, oft kopiert und nie erreicht. Deswegen läuft das in dieser Dimension ab (lacht). Hab ich mir aber immer schon gedacht, mit 13 wusste ich das schon.

Dass Sie wie Beethoven und Mozart sind?

Ja, dass das meine Kollegen sind.

Nicht gerade bescheiden.

Nein, ich bin auch nicht bescheiden. Ich bin selbstbewusst. Wenn ich sage, ich muss im Stadion ein Fluggerät haben: Ein bisschen größenknallig ist das schon. Aber es ist ein charmanter Größenknall, das ist der Unterschied. Ich finde Größenknalle ansonsten zum Kotzen. Aber wenn die Leute ein bisschen damit kokettieren, so wie Muhammad Ali oder Falco ... Selbstironie ist auch sehr wichtig, nicht?

Natürlich. Gibt’s von Ihren Nachbarn im Hotel eigentlich Beschwerden, wenn Sie mal zu laut Musik hören?

Nein, hier gibt es genügend Ecken. Ich habe hier ein Kino wie Howard Hughes in Las Vegas, ein Atelier und meine Hippiebude, die ist weit weg von den Gästezimmern. Da kann ich AC/DC aufdrehen bis zur Ohramputation.

Das erste „Unplugged“-Album war in Deutschland auf Platz eins der Charts, in Österreich in den Top Ten. Ist ein Druck da?

Nein. Entscheidend ist die Qualität, dass es die Menschen berührt, dass sie nasse Augen kriegen, dass es sie antörnt. Ich bin da nicht so der Zahlenstratege. Die Zeiten ändern sich ein bisschen, die physischen Verkäufe gehen zurück und es gibt mehr Downloads. Mal gucken. Ich bin sehr optimistisch. Die halbe Nation wird die Platte wahrscheinlich im Liegen hören, weil sie so umwerfend ist (grinst).

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