Sie war bereits bei ihrem Rollendebüt an der Wiener Staatsoper das Epizentrum in Claus Guths Neuproduktion von Puccinis letzter Oper. Auch in der zweiten Aufführungsserie lässt sie keinen Zweifel aufkommen, dass dieser Abend ihr gehört. Grigorian übertrifft sich selbst mit gleißenden Höhen, hell wie Platin, mit Innigkeit, Ausdruck und anrührender Verletzlichkeit. Wenn sie mit weißer Langhaarperücke dem ihr noch unbekannten Prinzen Calaf von ihrer angeblichen Vorfahrin Lou-Ling erzählt, die vor tausenden Jahren dem Tartarenkönig zum Opfer fiel, klingt das bei Grigorian wie eine Beschwörung. Ganz so, als ob sie sich selbst vor dem Schicksal dieser Frau schützen wolle. Deshalb verschanzt sie sich in Claus Guths auf die Personen fokussierten Regie in ihrem Kinderzimmer und schickt Brautwerber mit scheinbar unlösbaren Rätseln in den Tod. Ivan Gyngazov lässt als Calaf bei seinem Staatsopern-Debüt mit noblem Timbre aufhorchen.
Das „Nessun dorma“ intoniert er mit Eleganz und wird dafür zurecht bejubelt. Er zeigt einen sympathischen Prinzen, keinen heldischen Eroberer. Das passt ideal zu Guths kammerspielartiger Inszenierung, die das Geschehen fernab von allen China-Klischees in ein Terror-Regime verlegt, das man überall auf der Welt, auch zwischen den kahlen Wänden eines Haushalts finden könnte. Das Volk ist im Einheits-Look gestylt. So könnte man sich eine Gestalt aus Andy Warhol Factory vorstellen. Grigorian und Gyngazov nützen Etienne Pluss’ karg eingerichtete Bühne für ihr hoch emotionalisiertes Spiel, bei dem sie einen echten Psycho-Thriller ausleben. Dass Guth die Oper mit dem Finale von Franco Alfano enden lässt, ist bei diesem Konzept logisch. Puccini verstarb, nachdem er Liùs Tod komponiert hatte. Guth nützt Alfanos Musik für sein Happy End und lässt Turandot mit Calaf fliehen. Im genau geführten Ensemble berührt Kristina Mkhitaryan als intensive Liù. Jörg Schneider ist ein bewährter Altoum. Dan Paul Dumitrescu ist ein wortdeutlicher Timur. Martin Häßler, Norbert Ernst, Hiroshi Amako agieren solide als Ping, Pang, Pong. Der Chor lässt das Monumentale dieser Musik spüren. Zur Puccini-Hommage gerät das Dirigat von Axel Kober. Er arbeitet mit dem bestens disponierten Staatsopernorchester Drama, asiatisches Flair und die prächtigen Klangfarben heraus, setzt auf Präzision, gigantische Ausbrüche und weiche Linien. Akkurat geht er auf die einzelnen Sänger ein, reagiert spontan. Jubel für alle Beteiligten!
KURIER-Wertung: 4 Sterne
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