"Turandot" an der Staatsoper: Eisprinzessin im Terrorstaat

Eine Frau mit weißem Kleid und Schleier sitzt auf einer bunten Blumenmatte.
Diese "Turandot " ist nicht der große Hit. Aber leben kann die Staatsoper damit allemal.

Viele Debüts,  viele Bravos und massive Proteste gegen das Leading Team  - das war sie dann auch schon, die Premiere von Giacomo Puccinis "Turandot" an der Wiener Staatsoper

Nur knapp zwei Monate nach einer Neuproduktion von "Il trittico" wird Puccini im Haus am Ring wieder gefeiert  - anlässlich der 100. Wiederkehr seines Todestages im Jahr 2024. Und dies in einer der Papierform nach Top- Besetzung.  Startenor Jonas Kaufmann als Calaf und Asmik Grigorian in der Titelpartie. So ganz überzeugend war die Sache aber dennoch nicht. 

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Ein Mann im Anzug und eine Frau im weißen Kleid stehen auf einer Bühne.

Das beginnt bei der an sich klugen, aber sich selbst auch konterkarigierenden  Interpretation von Regisseur Claus Guth. Dieser nämlich verlegt das Geschehen rund um Calaf, Turandot und Liu in einen nicht näher definierten Terrorstaat. Alle sind hier gleichgeschaltet, tragen froschgrüne Anzüge und orangefarbene Haare (Kostüme: Ursula Kudrna) - das lässt an Nordkorea denken. 

Psychodrama mit Sigmund Freud 

Die Bühne  (Etienne Pluss) ist zweigeteilt in eine obere und eine untere Ebene. Ansage: Wir befinden uns hier in einem Psychodrama! Zumal selbst die berühmte Türe zu Sigmund Freuds Praxis in der Wiener Berggasse nicht fehlen darf. 

Durch diese geht Calaf, um sein Ideal einer Frau zu finden. Turandot wiederum ist von Puppen (Statistinnen mit Masken) umgeben und erscheint Calaf auf einer Leinwand als Traumbild. Sie aber flüchtet sich meist in ihr Bett. Denn diese Prinzessin hat ein Herz,  es ist nur in diesem Regime zu Eis geworden. All das ist nachvollziehbar, nicht immer logisch,  aber vor allem im Finale durchaus berührend. 

 

Auf einer Bühne steht ein Mann an einem goldenen Käfig, in dem eine Frau in Weiß sitzt, umgeben von Puppen mit weißen Masken.

Denn dafür hat man an der Staatsoper das Finale "Alfano 1" gewählt. Soll heißen: Nach Lius Selbstmord kommt es nicht gleich zum Happy End, sondern zu einer starken Szene zwischen Calaf und Turandot. Gut so, eine richtige Entscheidung! Puccini konnte bekanntlich "Turandot " nicht mehr vollenden. 

Womit wir endgültig bei der musikalischen Seite wären. Mit Dirigent Marco Armiliato steht  - als lange schon vorgesehener Einspringer für den erkrankten Franz Welser-Möst - ein Vollprofi am Pult des souveränen Orchesters der Wiener Staatsoper  (sehr gut auch der Chor), der Puccini mit Saft und Kraft und nur manchmal etwas zu laut erklingen lässt. Armiliato ist ein Kapellmeister im besten, positivsten Sinne,  der auch immer an die Interpreten denkt, mit ihnen fühlt und atmet. 

So ist die Starbesetzung

Dies kommt der Starbesetzung zugute. Denn die wunderbar intensive Asmik Grigorian ringt mit der Partie der Turandot vokal sehr. Ja, sie behauptet sich in ihren großen Arien und Szenen souverän. Die Kraftanstrengung hört man allerdings immer wieder. 

Jonas Kaufmann ist ein sehr feiner Calaf,  der auch mit dem berühmten "Nessun Dorma" punkten kann. Dass sein heldischer Tenor sich inzwischen immer mehr ins Baritonale verlagert ist ja kein Nachteil. Als Singschauspieler ist er ohnehin überragend; diese Stimme hört man einfach gerne. 

 

Eine Opernszene mit einem Mann im Anzug, umgeben von Frauen in dunklen Kostümen, eine liegt am Boden.

Mit zärtlicher Vollkraft gibt die umjubelte Kristina Mkhitaryan eine hinreißende Liu; die Minister Ping, Pang, Pong sind mit Martin Hässler, Norbert Ernst und Hiroshi Amako gut besetzt. Dan Paul Dumitrescu als Timur und Jörg Schneider als Altoum fügen sich gut ein. 

Fazit: Diese "Turandot " ist nicht der große Hit. Aber leben kann die Staatsoper damit allemal. Und China muss ja nicht am Ring liegen.

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