Es war ein Fest, wie es das nur einmal geben kann. Und wie es vielleicht nur einer organisieren konnte. Als am 28. November 1966 im New Yorker Plaza Hotel der Black and White Ball stieg, und quasi schon im Moment seines Stattfindens Legende wurde, thronte sein Gastgeber Truman Capote am Gipfel seines Erfolges: Er hatte bereits „Die Grasharfe“ veröffentlicht, „Frühstück bei Tiffany“ war mit Audrey Hepburn verfilmt worden, und mit „Kaltblütig“ hatte der Schriftsteller im selben Jahr einen Berserker von einem Buch erschaffen: Der minutiös recherchierte, sachlich wie teilnehmend verfasste Roman über die Psychologie hinter dem grauenhaften Mord an der Farmerfamilie Clutter in Kansas war der Geniestreich eines Jahrhunderttalents – und löste einen irren Hype aus.
Der eitle Exzentriker, ein gnadenloser Lästerer vor dem Herrn, der nicht nur dem literarischen Erfolg nachjagte, sondern auch darüber hinaus ein König sein wollte, wurde von den Medien, dem Publikum wie von der High Society hofiert und gefeiert. Für den Maskenball, den Capote veranstaltete, galt: In ist, wer drin ist. Akteure, die sich selbst für sehr wichtig hielten, aber nicht auf der Gästeliste landeten, verließen aus Scham sogar das Land: wäre gern gekommen, leider verhindert, man kennt das ja. Truman Capote indes inszenierte ungerührt die „Party des Jahrhunderts“. Als Höhepunkt und gleichzeitig als Abgesang einer Ära rangiert sie heute in den Geschichtsbüchern der frivolen Gesellschaft. Dass Capote mit der Sause auch seinen eigenen Untergang einläutete – das ahnte er damals noch nicht.
Sinatra kam als Katze
Eine Party wie ein Gemälde. Nichts weniger als das hatte Capote als Vorgabe ventiliert, und da konnte man sicher schon ahnen, ein Aquarell werde das wohl nicht. Auf jeden Fall ein Sittenbild, und das in Schwarz-Weiß: die visuell klare Struktur hatte den Autor ebenso gereizt wie das Spiel mit den Identitäten. Alle trugen Maske, auch Frank Sinatra. Seine Ol’ Blue Eyes blitzten hinter einem schwarzen Teil hervor, das noch dazu einer Katze glich – inklusive Stupsnase, Schnurrbart und Spitzohren. Begleitet wurde er unter Blitzlichtgewitter von seiner Frau, Mia Farrow, noch lange bevor sie einen gewissen Woody Allen kennenlernte, ihre Maske glich einem Schmetterling, weiß wie die Unschuld.
Wer war nicht alles da! Über Monate hatte Capote die Gästeliste akribisch geplant, in ein Notizbuch geschrieben und aufeinander abgestimmt. Und wie ein Roman ein Motiv benötigt, benötigte auch seine Party einen Grund. Einfach sich selbst zu feiern (der wahre Grund) erschien wenigstens nach außen hin dann doch zu wenig raffiniert. Er fand den Anlass in Katharine Graham, der Herausgeberin der „Washington Post“, der er auf diese Art „Aufmunterung“ zusicherte, der sie gar nicht bedurfte und die angesichts dessen später bloß lapidar feststellte: „Ich glaube, er wollte einfach immer mal eine Party im Plaza schmeißen.“ Sie fühlte sich als „Teil der Requisite.“ 500 Auserwählte erschienen schließlich, für Capote eine „Party für Menschen, die ich mag“.
Der Star-Autor Norman Mailer zählte dazu, Filmstars wie Lauren Bacall, Claudette Colbert oder Douglas Fairbanks jr., Andy Warhol, Harry Belafonte, der Herzog und die Herzogin von Windsor, Gloria Vanderbilt, die Maharani von Jaipur und die italienische Prinzessin Luciana Pignatelli (mit einem 60-Karat-Diamanten von Harry Winston). Eine Gruppe, an der Capote, den Puppenspieler, die unwiderstehliche Versuchsanordnung reizte: Was, wenn man Leute unterschiedlich schillernder Provenienz und Profession zusammenwürfeln würde?
Mächtige, Schöne, Illustre – und alle tanzten nach dem Willen des kleinen Schreibgenies mit der Fistelstimme. Wobei der Grand Ballroom im Plaza nicht nur als Druckkochtopf der Celebritys diente. Auch den Wachmann seines Wohnhauses etwa hatte Capote eingeladen. Wenn um Mitternacht die Masken fallen, dann, so seine Vorstellung, würden sich alle Leute untereinander wild vermischen. „Die Party“, wird der Autor Gerald Clarke in der Vanity Fair zitiert, „war das Produkt eines literarischen Geistes.“
Selbstverständlich durften auch Capotes enge Freundinnen nicht fehlen, jene feinen Damen, die Capote seine „Schwäne“ nannte. Modeikone Gloria Guinness etwa, Marella Agnelli oder Lee Radziwill, die jüngere Schwester von Jackie Kennedy. Und die er später alle eiskalt zu verraten plante.
„Erhörte Gebete“ hieß das Opus Magnum, an dem er tüftelte, nichts weniger als der amerikanische Gesellschaftsroman des 20. Jahrhunderts sollte es werden, und kühl und mitleidslos die High Society, die ihm ihre skandalösesten Affären und geheimsten Geheimnisse aus erster Hand erzählt hatte, literarisch sezieren. Es kam anders. Capote ging unter. Bucherfolg landete er keinen mehr. Aus einem halluzinogenen Nebel aus Alkohol, Drogen und Pillen tauchte er nach „Kaltblütig“ und dem Black and White Ball nicht mehr auf, Depressionen, Nervenzusammenbrüche und Spitalaufenthalte hielten ihn fest im Griff. Als er 1975 das erste Kapitel von „Erhörte Gebete“ veröffentlichte, beging die Millionärswitwe Ann Woodward Selbstmord. Die Elite ließ ihn fallen – es hatte sich ausgefeiert.
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