Allein im Park
Schlussendlich sagte Toxische Pommes zu, obwohl sie keinen Plan hatte, davor noch nie im Kabarett war. Was ist das eigentlich, ein Kabarett-Programm? Aber Augen zu und durch. YOLO halt.
Und da sie aufgehört hat, über Dinge zu weinen, die sie sich selbst eingebrockt hat, setzte sie sich auf eine Bank in einen Park, rauchte und beobachte Kinder (übrigens einer der wenigen Privilegien, die Männer nicht haben). Dabei dachte sie über das mögliche Kabarettprogramm nach und sah den Bobo-Kindern, die schon mit fünf Jahren wissen, dass sie etwas Besseres sind, beim Spielen zu.
Dann der Einfall: Sie wird über Zugehörigkeit reden, „weil man als Ausländerkind schon am ersten Kindertag damit konfrontiert wird, dass man anders sei als die anderen“, sagt Toxische Pommes gleich zu Beginn im Kabarett Niedermair. Der danach folgende Monolog dauert eine Stunde. Es ist ein unterhaltsamer und auch interessanter, weil ehrlicher Vortrag über das, was man als Nicht-Bio-Österreicher in den 90er- und 00er-Jahren hierzulande so erfahren hat. Toxische Pommes, die in Kroatien geboren wurde, landete mit ihren Eltern im Alter von einem Jahr in Wiener Neustadt – geflüchtet vom Krieg.
„Für meine Videos verwende ich hauptsächlich Erfahrungen, die ich selber gemacht habe. Meine Familie ist als ich eineinhalb Jahre alt war aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Österreich geflüchtet. Ich bin in Wiener Neustadt sehr konformistisch aufgewachsen. Ich war die klassische ,gut integrierte' Migrantin, die eigentlich ihre Identität geleugnet hat. Ich habe mich auch als Kind lange geschämt, mit meinen Eltern auf der Straße B/K/S zu reden", sagte Sie in einem KURIER-Interview.
Besser integriert als Martin Ho
Rund 30 Jahre später erzählt sie nun in „Ketchup, Mayo und Ajvar“ ihre Geschichte, verkündet dem vorrangig junge Publikum ihre mit „Die 7 Phasen des Ausländers“ betitelten Thesen, die sie über die Jahre an sich selbst beobachten und erforschen konnte. Ihre Mission, die österreichischste Österreicherin zu sein, ist zwar gescheitert, wie sie selbst sagt. Aber das macht nichts, immerhin sei sie besser integriert als Martin Ho. Und der Unternehmer hat es in Österreich ja auch weit gebracht…
Toxische Pommes ist eine genaue, kritische Beobachterin, eine begnadete wie besessene "Haterin", wie sie selbst sagt. Vor allem die Juridikum-Snobs mit ihrem hässlichen Polo-Shirts und Mokassins, die Propeller-Mütter, Mansplainer, Millennials, Balkan-Hipster, Boomer und Bobos haben es ihr angetan. Ihnen widmet sie sich ausführlich mit trockenem Humor.
Herrlich etwa ihre Hassrede auf Luxusbrot-Bäcker und ihre Käufer. Das ist dann nicht nur lustig, sondern auch sozialkritisch und gescheit. Was zum Nachdenken eben, was übrigens auch ihr Ziel sei. Sie wolle nicht die Welt verbessern, „aber ich freue mich, wenn ich Menschen einen kurzen Augenblick zum Nachdenken bringen kann“. Das ist ihr bei der Premiere von "Ketchup, Mayo und Ajvar" dann auch mehrfach gelungen. Applaus.
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